Schuldig wer vergisst
kommen, und vielleicht kühlten ja die Wochen der Trennung von Ellie Simons Glut ein wenig und ließen ihn die Sache danach etwas nüchterner betrachten.
Morgen! Jane konnte es kaum erwarten.
Fröstelnd kehrte sie ins Bett zurück. Als sie gerade wieder neben Brian unter die Decke kroch, drehte er sich auf den Rücken und streckte die Arme über den Kopf. »Oh, ich hab prächtig geschlafen«, sagte er. »Wie spät ist es denn?«
»Kurz nach acht.«
»Janey«, er drehte sich zur Seite, um sie anzusehen, und sagte in schmeichelhaftem Ton, »du würdest mir nicht vielleicht das Frühstück ans Bett bringen, oder?«
Frühstück im Bett? Das hatte er immer genossen, als eine besondere Gunst. Aber es hatte einmal Zeiten gegeben, da war es nicht das Erste, was ihm einfiel, wenn er an seinem freien Tag neben seiner Frau aufwachte. Nun ja, dachte Jane sarkastisch, demnach waren sie jetzt wohl wirklich und wahrhaftig im fortgeschrittenen Alter.
»Also gut. Gleich«, willigte sie ein. »Aber zuerst wollte ich dich noch was fragen.«
»Was denn?«, murmelte er und hörte nur mit einem Ohr hin.
»Hast du gewusst, dass es in Callie Ansons Leben einen neuen Mann gibt? Hat sie dir von ihm erzählt?«
»Was?« Jetzt hatte sie Brians Aufmerksamkeit geweckt.
Die Morgenandacht zog nie viele Gemeindemitglieder an; es gab sogar Zeiten, in denen Callie alleine war. An diesem Morgen saßen allerdings noch drei andere in den Kirchenbänken, und Callie registrierte, dass eine davon Morag Hamilton war.
Nach der kurzen Andacht blieb sie noch zurück, während Callie sich an der Tür von den anderen verabschiedete. »Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht heute Morgen ein klitzekleines bisschen Zeit für mich hätten«, fragte sie schüchtern, als sie an der Reihe war. »Ich hasse es, Sie zu belästigen …«
Callie sah ihr ins Gesicht und erkannte, dass sie Sorgen hatte. »Sie belästigen mich überhaupt nicht«, sagte sie sofort. »Ich muss meinen Hund jetzt ausführen, aber wenn Ihnen ein bisschen Bewegung nichts ausmachen würde …«
»Im Gegenteil.« Morag lächelte dankbar. »Ich kriege viel zu wenig Bewegung.«
»Dann kommen Sie mit. Wir holen Bella ab und gehen mit ihr in den Park.«
Als Neville am Kanal ankam, war das Absperrband der Polizei bereits gespannt und die Kollegen von der Spurensicherung
eingetroffen. Ebenso Sid Cowley, der die Hände tief in den Taschen seiner Lederjacke vergrub – der Regen war in nasskaltes Dezemberwetter übergegangen, das einem in die Glieder kroch. Cowley starrte mürrisch vor sich hin, während sein Kiefer an einem Nikotinkaugummi arbeitete. »Evans ist hier gewesen«, sagte er mit Bezug auf ihren Detective Superintendent. »Ist nicht lange geblieben, aber er betraut Sie mit dem Fall. Ist ab jetzt nicht mehr meiner.«
Das war nur fair: Ein Detective Sergeant konnte sich um eine Vermisstenmeldung kümmern, doch wenn eine Leiche im Spiel war, gehörten die Ermittlungen in die Hände eines ranghöheren Beamten. Dennoch tat Cowley Neville leid. »Machen Sie sich nichts draus, Kumpel«, murmelte er. »Dann bin ich derjenige, der sich den Kopf zerbrechen muss.«
»Kopfzerbrechen ist garantiert, Chef.« Cowley grinste ihn grimmig an. »Als Tatort gibt das hier verdammt wenig her. Wir wissen nicht mal, ob es überhaupt der Tatort ist. Er könnte an jeder anderen Stelle im Kanal gelandet sein.«
Neville sah den weiß gekleideten Kollegen von der Spurensicherung bei der Arbeit zu – sie machten Fotos und krochen auf der Suche nach Beweismaterial auf Händen und Knien herum. »Er ist vermutlich ertrunken, oder?«, fragte er den Sergeant.
»Sagt jedenfalls der Doktor. Wasser in der Lunge. Sicheres weiß man natürlich nicht, bis sie ihn auf dem Untersuchungstisch haben.«
Irgendetwas war hier faul, zumindest nach Nevilles Gefühl. »Können wir überhaupt davon ausgehen, dass es ein Verbrechen ist?«, fragte er. »Ich meine, woher wollen wir wissen, dass er in dem grässlichen Regen nicht nur ausgerutscht und reingefallen ist?«
»Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen«, erklärte Cowley sachlich. »Bevor er ins Wasser gefallen ist. Ich hab
ihn gesehen – es war kein Unfall. Das musste mir nicht erst der Pathologe sagen. Auch Evans hat das gleich erkannt. Deshalb hat er Sie mit dem Fall betraut.«
»Ach, zum Teufel.« Neville spähte zum Ufer hinüber, wo eine Plane die sterblichen Überreste des Opfers bedeckte. »Und sind wir schon sicher, dass es unser Mann ist? Trevor
Weitere Kostenlose Bücher