Schuldig wer vergisst
gebracht hatte, sein eigenes problematisches Verhältnis zu seinem Vornamen preiszugeben.
Willow Tree hatte ihren von Umweltaktivisten bekommen, die sich offenbar nicht darüber im Klaren waren, wie sehr sie ihr Kind den Hänseleien anderer Leute aussetzten. Wie konnten Eltern ihren Kindern nur so etwas antun?
Er versuchte, sich ihr Bild heraufzubeschwören. Eine unkonventionelle junge Frau, um es vorsichtig auszudrücken: karottenrot gefärbtes Haar zu Stacheln hochgegelt, dicker Lidstrich um die Augen, ein Ring durch einen Nasenflügel und schillernd grüne Fingernägel. Unter dieser Aufmachung war sie jedoch wahrscheinlich ein hübsches Mädchen und als Zeugin die reine Wohltat gewesen – knapp und sachlich, artikuliert, kooperativ. Intelligent. Aufgeregt, aber nicht hysterisch. Er hatte Willow Tree nett gefunden.
Und jetzt, dachte Neville, jetzt wo der Fall Schnee von gestern war …
Es gab keinen guten Grund, weshalb er Willow Tree nicht privat wiedersehen sollte. Nicht den geringsten.
Sie hatte ihm eine Handynummer gegeben; sie stand direkt vor seiner Nase auf dem Formular. »Unter der Nummer können Sie mich jederzeit erreichen«, hatte sie zu ihm gesagt.
Wieso nicht?
Er streckte die Hand nach dem Telefon aus und tippte die Nummer ein.
Brian Stanford pflegte seit vielen Jahren die Tradition, montags die ans Haus gefesselten Gemeindemitglieder zu besuchen, damit sie das Sakrament empfangen konnten. Als Callie neu in die Gemeinde kam, hatte sie ihn zu diesen Besuchen begleitet, und so gehörten sie inzwischen zu ihrer wöchentlichen Routine.
Das ganze Wochenende hindurch hatte Callie Morag nicht aus dem Kopf bekommen. Sie erwähnte es nach der Morgenandacht gegenüber Brian. »Ich glaube, wir sollten Morag
Hamilton heute besuchen«, schlug sie vor. »Sie war gestern nicht in der Kirche.«
»Morag Hamilton?«, fragte er und runzelte die Stirn. »Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Ich habe Ihnen letzte Woche von ihr erzählt. Ich hab sie ein paarmal besucht. Sie sagten, das wäre wünschenswert«, fügte sie hinzu, da sie wusste, wie empfindlich er sein konnte, wenn er glaubte, sie würde ihre Grenzen als Kuratin übersteigen und seine Autorität ihr gegenüber untergraben.
Brian nickte. »Ach ja, die Schottin. Graues Haar.«
»Richtig.«
»Ist sie denn krank?« Er sah auf die Uhr, als hätte er sich um Wichtigeres oder dringlichere Termine zu kümmern, die keinen Aufschub duldeten.
Callie überlegte, wo sie anfangen sollte. »Nun ja, es ist eine lange Geschichte«, sagte sie. »Ich habe sie am Samstag getroffen.«
»Erzählen Sie mir später davon«, sagte Brian. »Vielleicht unterwegs.«
Er hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, um nach Hause zu kommen. Vielleicht, spekulierte Callie, war er an diesem Morgen besonders hungrig und konnte keine Minute auf sein Frühstück warten.
Am Nachmittag berief Neville nach ergebnislosen Haus-zu-Haus-Befragungen und auch sonst keinen Anhaltspunkten eine informelle Pressekonferenz ein. Er hatte nicht vor, darin Rachel Norton zu erwähnen – bei dieser Art von einem Fall war das nicht nötig -, doch ihm fiel kein triftiger Anhaltspunkt mehr ein, um die Ermittlungen weiterzuführen, und eine solche Konferenz würde sich vielleicht als nützlich erweisen. Jedenfalls konnte es nicht schaden.
Er verteilte Fotos von dem Toten und gab anschließend eine kurze Erklärung ab.
Trevor Norton war Freitagmorgen getötet worden, sagte er, während er wie jeden Tag um die gleiche Zeit am Grand Union Canal entlangjoggte. Ihnen sei bekannt, dass er einen iPod getragen habe, der jetzt fehlte. Falls irgendjemand Trevor Norton an besagtem Morgen gesehen hätte oder sonst irgendwelche sachdienlichen Hinweise machen könne, wäre er für einen Anruf bei einer speziell eingerichteten Hotline sehr verbunden.
Um den Sympathiebonus auszunutzen, fügte er außerdem hinzu, Mr Norton hinterlasse eine Ehefrau, die bald ihr erstes Kind zur Welt bringe. »Sie waren erst seit einem Jahr verheiratet«, schloss er.
Das war, wie er augenblicklich merkte, ein kluger Schachzug gewesen: Die Journalisten warfen sich Blicke zu und schrieben eifrig mit, während ein leises Murmeln durch die Reihen ging.
»Haben Sie noch irgendwelche Fragen?« Neville sah in die Runde.
»Wie heißt Mrs Norton mit Vornamen?«, wollte ein Mann in der Ecke wissen.
»Rachel.«
Eine elegant gekleidete Frau hob die Hand. »Haben Sie ein Statement von Mrs Norton, das wir verwenden können?«
»Derzeit
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