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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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– eine Archäologin, die anhand von Fundstücken versuchte, sich ein Bild von der jungen Frau zu machen, die die Sachen benutzt hatte. Der Kooshball und die knallbunten Stifte – die gehörten der Trixie, die sie gekannt hatte. Aber es gab etliche andere Dinge, die sie nicht einordnen konnte: die CD mit Texten, bei denen Laura der Kiefer runterklappte, der Totenschädelring aus Sterlingsilber, das in einer Puderdose versteckte Kondom. Vielleicht hatten sie und Trixie ja noch immer viel gemeinsam: Während Laura sich in eine Frau verwandelte, die sie kaum noch wiedererkannte, war es ihrer Tochter anscheinend ebenso ergangen.
    Sie setzte sich auf Trixies Bett und nahm den Hörer vom Telefon. Wie oft hatte Laura sich in Gespräche zwischen Trixie und Jason eingeschaltet und ihr gesagt, sie solle jetzt Gute Nacht sagen und ins Bett gehen? Nur noch fünf Minuten , hatte Trixie meistens gebettelt.
    Wenn sie Trixie jedes Mal diese Minuten gegeben hätte, hätte sich das für Jason zu einem weiteren Tag summiert? Wenn sie sich jetzt fünf Minuten nahm, konnte sie damit wiedergutmachen, was alles falsch gelaufen war?
    Laura brauchte drei Anläufe, um die Nummer von Detective Bartholemew zu wählen, und als sie den Freiton schon im Ohr hatte, kam Daniel ins Zimmer. »Was machst du?«
    Â»Ich rufe die Polizei an«, sagte sie.
    Er war in zwei Schritten bei ihr, nahm ihr den Hörer aus der Hand und legte auf. »Tu das nicht.«
    Â»Daniel …«
    Â»Laura, ich weiß, warum sie weggelaufen ist. Als ich achtzehn war, bin ich beschuldigt worden, einen Mord begangen zu haben, und damals bin ich auch abgehauen.«
    Dieses Geständnis warf Laura völlig aus der Bahn. Wie konnte man fünfzehn Jahre mit einem Menschen zusammenleben, ihn in sich spüren, sein Kind zur Welt bringen und doch etwas so Grundlegendes über ihn nicht wissen?
    Er setzte sich an Trixies Schreibtisch. »Da lebte ich noch in Alaska. Das Opfer war mein bester Freund, Cane.«
    Â»Hast du … hast du es getan?«
    Daniel zögerte. »Nicht so, wie sie geglaubt haben.«
    Laura starrte ihn an. Sie dachte an Trixie, die jetzt Gott weiß wo war und wegen eines Verbrechens floh, das sie nicht begangen haben konnte. »Wenn du nicht schuldig warst … wieso bist du dann …«
    Â»Weil Cane tot war.«
    Plötzlich konnte Laura in Daniels Augen die wundersamsten Dinge sehen: das Blut zahlloser aufgeschlitzter Lachse, das blauädrige Knacken von unglaublich dickem Eis, die Umrisse eines Raben auf einem Hausdach. In Daniels Augen erkannte sie etwas, das sie sich zuvor nicht hatte eingestehen wollen: Trotz allem oder gerade deswegen verstand er ihre Tochter besser als sie.
    Als er eine Bewegung machte, stieß er mit dem Ellbogen gegen die Computermaus. Der Bildschirm erwachte zum Leben und zeigte mehrere offene Fenster: Google, iTunes, Sephora.com und rapesurvivor.com, der Webseite für Vergewaltigungsopfer, voll mit herzzerreißenden Gedichten von Mädchen wie Trixie. Aber MapQuest? Was wollte Trixie mit dem Routenplaner? Sie war ja nicht mal alt genug, um Auto zu fahren.
    Laura beugte sich über Daniels Schulter und griff nach der Maus. Die Eingabefelder für Adresse, Postleitzahl, Stadt waren leer. Aber ganz unten stand in leuchtendem Blau: Die gewünschte Fahrtroute konnte nicht gefunden werden.
    Â»Oh Gott«, sagte Daniel. »Ich weiß, wo sie ist.«

    Trixie träumte gerade von einem verlassenen Auto im Wald, das sie vor Jahren einmal mit ihrem Vater entdeckt hatte, als jemand die Tür der Nachbarkabine zuknallte. Sie erwachte mit einem Ruck und sah auf die Uhr – wenn man das Zeug zu lange draufließ, fielen einem bestimmt alle Haare aus oder wurden lila. Sie hörte die Toilettenspülung nebenan, Türklappen, Händewaschen und ganz kurz die Geräusche von draußen, als die Tür geöffnet wurde. Als alles wieder ruhig war, schlich sie zum Waschbecken und spülte die Farbe aus.
    Sie hatte Streifen an Stirn und Hals, aber ihr Haar, ihr rotes Haar, das ihren Vater inspiriert hatte, sie schon als Baby Chilischote zu nennen, hatte jetzt die Farbe einer schwarz-lila vertrockneten Aubergine.
    Als sie das ruinierte Sweatshirt ganz unten in den Mülleimer stopfte, kam eine Mutter mit zwei kleinen Jungen herein. Trixie hielt den Atem an, aber die Frau würdigte sie keines Blickes. Vielleicht war es ja wirklich so einfach. Sie

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