Schuldig
verlieà die Damentoilette, ging Richtung Parkplatz an dem neuen Weihnachtsmann vorbei, der jetzt Dienst hatte.
Wenn ein Teenager verschwinden will, stehen die Chancen gut, dass ihm das auch gelingt. Denn anders als Erwachsene, deren Spur man verfolgen konnte, wenn sie Geld am Automaten abhoben oder einen Mietwagen nahmen oder ein Flugticket kauften, zahlten Teenager eher in bar, fuhren per Anhalter und wurden von Zeugen leichter übersehen.
Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde fuhr Bartholemew zum Haus der Stones. Trixie Stone galt inzwischen offiziell als vermisste Person, nicht als flüchtige Tatverdächtige. Letzteres war nicht möglich, selbst wenn alles darauf hindeutete, dass sie vor einer drohenden Mordanklage geflohen war.
Im amerikanischen Rechtssystem galt das Verschwinden eines Verdächtigen nämlich nicht als belastendes Indiz. Später, während eines Prozesses, konnte ein Anklagevertreter Trixies Flucht als Schuldbeweis interpretieren, aber es würde nie zum Prozess kommen, falls es Bartholemew nicht gelang, einen Haftbefehl gegen Trixie zu erwirken â sodass sie, wenn sie ausfindig gemacht wurde, sofort festgenommen werden konnte.
Das Problem war nur, dass er Trixie auch dann noch nicht verhaften würde, wenn sie nicht geflohen wäre. Vor gerade mal zwei Tagen war er noch überzeugt gewesen, dass Daniel Stone der Täter war. Bis die Beweise in eine andere Richtung deuteten. Aber hatte er tatsächlich Beweise ? Da war ein Schuhabdruck, der zu Trixies Schuhen passte â und zu denen von zahllosen anderen Leuten der Stadt. Da war das am Opfer gefundene Blut, das von einer Frau stammte und somit die Hälfte der Bevölkerung ausschloss. Da war ein Haar, das dieselbe Farbe hatte wie Trixies und in dessen Wurzel nicht kontaminierte DNA steckte. Aber er hatte keine Gegenprobe von Trixie für einen Abgleich und auch keine Möglichkeit, auf die Schnelle eine zu bekommen.
Nein, die Anklage hatte so viele Löcher wie ein Schweizer Käse, und jeder Verteidiger könnte sie mühelos auseinandernehmen. Bartholemew musste Trixie Stone finden, um ihr den Mord an Jason Underhill nachweisen zu können.
Er klingelte an die Haustür der Stones. Wieder machte niemand auf. Bartholemew schirmte die Augen mit den Händen ab und spähte durch das Glasfenster in den Vorraum.
Daniel Stones Jacke und Stiefel waren weg.
Er ging zu der angebauten Doppelgarage und lugte durch ein kleines Seitenfenster hinein. Da stand Laura Stones Honda, der vorhin noch nicht da gewesen war. Daniel Stones Pick-up war weg.
Bartholemew schlug mit der flachen Hand auf die Garagenwand und fluchte laut. Er konnte nicht beweisen, dass sich Daniel und Laura Stone noch früher als die Polizei auf die Suche nach Trixie gemacht hatten, aber er würde jede Wette darauf eingehen. Wenn deine Tochter vermisst wird, fährst du nicht zum Einkaufen. Du sitzt zu Hause und wartest auf die Nachricht, dass sie wohlbehalten wieder zurückgebracht wird.
Bartholemew kniff sich in den Nasenrücken und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht war das ja doch noch Glück im Unglück. Immerhin hatten die Stones bessere Chancen, Trixie zu finden, als er. Und es wäre für Bartholemew wesentlich einfacher, die Spur von zwei Erwachsenen zu verfolgen, als die ihrer vierzehnjährigen Tochter.
Und in der Zwischenzeit? Nun, er könnte sich einen Durchsuchungsbefehl für ihr Haus besorgen, aber das würde ihm nichts nützen. Kein Kriminallabor würde eine Zahnbürste aus Trixies Bad als gültige DNA-Probe akzeptieren. Es blieb dabei, er brauchte das Mädchen und eine reguläre Blutprobe.
Die er, wie Bartholemew im selben Moment klar wurde, bereits hatte â unter den Beweismitteln, die nach der Vergewaltigung für einen Prozess versiegelt worden waren, der nie stattfinden würde.
Trixie saà am Busbahnhof und wartete. Sie schob den Jackenärmel hoch und betrachtete das wirre Netz aus Narben. Das war ihr Haarriss, und sie vermutete, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe sie vollends zerbrach.
»Humpty Dumpty«, sagte sie laut.
Neben Trixie hüpfte ein kleiner Junge auf dem Schoà seiner Mutter herum. »Dumpty!«, rief er. »Fallen!« Er warf sich mit solchem Schwung nach hinten, dass Trixie schon glaubte, er würde mit dem Kopf auf den Boden des Busbahnhofs krachen.
Seine Mutter fing ihn aber noch rechtzeitig ab. »Trevor.
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