Schuldig
geschmeckt.
Plötzlich stand die Frau hinter dem Tisch auf und kam auf Trixie zu. Sie erstarrte. »Lass mich raten«, sagte die Frau. »Du bist Andi.«
Trixie brachte ein Lächeln zustande. »Woher wissen Sie das?«
»Deine Truppe hat aus Tuluksak angerufen und gesagt, dass du neu bist und drauÃen eingeschneit warst.«
»DrauÃen wo?«
Die Frau grinste. »âtschuldigung, so nennen wir all die anderen Staaten. Wir finden noch jemanden, der dich zum Checkpoint rausfährt, bevor die Musher kommen.«
»Tuluksak«, wiederholte Trixie. Das Wort schmeckte wie Eisen. »Ich wollte eigentlich nach Akiak.«
»Tja, aber wir schicken alle unsere neuen Freiwilligen nach Tuluksak. Keine Bange â bis jetzt haben wir noch keinen verloren.« Sie deutete mit dem Kinn auf eine Kiste. »Ich bin übrigens Jen. Und es wäre toll, wenn du mir helfen würdest, die da zum Start zu tragen.«
Trixie hob die Kiste an, die voller Kamerazubehör war, während Jen sich eine Maske über Nase und Mund zog. »Zieh lieber deine Jacke an«, sagte sie.
»Ich hab nur das hier dabei«, erwiderte Trixie. »Meine, äh, Freundinnen haben meine Sachen mitgenommen.«
Jen verdrehte die Augen und zog sie zu einem Tisch mit lauter K-300-Artikeln, die man kaufen konnte. »Hier«, sagte sie, warf ihr eine weite Fleece-Jacke zu, Handschuhe und eine Mütze mit Klettverschluss unterm Kinn. Hinter den Tischen der Rennleitung zog sie ein Paar Schneestiefel und einen dicken Anorak hervor. »Die sind dir bestimmt zu groÃ, aber Harry wird heute Abend sternhagelvoll sein und gar nicht merken, dass sie fehlen.«
Als Trixie hinter Jen aus dem Long House Inn trat, schlug der Winter ihr klatschend ins Gesicht. Es war nicht bloà kalt wie im winterlichen Maine. Es war eine Kälte, die einem augenblicklich in die Knochen kroch, den Atem in winzige Kristalle verwandelte und einem die Wimpern mit Eis verklebte. Auf beiden Seiten des Gehweges türmte sich der Schnee, und zwischen ein paar verrosteten Pick-ups parkten kreuz und quer Snowmobile.
Jen ging auf einen der Pick-ups zu. Er war weià mit einer roten Tür. Auf der Beifahrerseite quollen die Polsterung und ein paar Sprungfedern aus der Sitzbank. Sicherheitsgurte waren nicht vorhanden. Der Wagen war kein Vergleich zu dem Pick-up ihres Vaters, aber als sie sich auf den Beifahrersitz schob, fuhr ihr trotzdem das Heimweh wie ein Messer zwischen die Rippen.
Jen brachte den Motor schlieÃlich zum Anspringen und deutete dann auf eine Flasche Wodka, die in den Aschenbecher geklemmt war. »Bedien dich, wenn du Lust hast.«
Trixie schraubte den Verschluss ab. Sie nahm einen Schluck, den sie aber sofort wieder ausspuckte, über das Armaturenbrett.
Jen lachte. »Vielleicht bist du dafür doch noch ein bisschen zu jung.« Sie sah, dass Trixie hektisch versuchte, die Flecken mit ihrem Handschuh abzuwischen. »Keine Sorge, ich glaube, dass Zeug hat so viel Alkohol, dass es glatt als Reinigungsmittel durchgeht.«
Sie bog scharf rechts ab und lenkte den Pick-up über den Rand einer Schneeverwehung. Trixie bekam einen Heidenschreck â sie sah keine StraÃe mehr. Der Pick-up schlitterte einen vereisten Hang hinunter auf einen zugefrorenen Fluss. Jen steuerte auf die Mitte zu.
Dort war der Start- und Zielbereich mit zwei langen, abgesperrten Einlaufbahnen und einem Transparent mit der Aufschrift K300. Daneben parkte ein Truck, auf dessen Ladefläche ein Mann ein Mikrofon testete. Ein steter Strom von klapprigen Pick-ups und Snowmobilen ergoss sich auf die Eisfläche, und alle parkten, wo sie wollten. Manche zogen Anhänger hinter sich her, auf die ausgefallene Zwingernamen gepinselt waren; andere hatten eine Kiste mit bellenden Hunden geladen. In einiger Entfernung stand ein Luftkissenboot, das, wie Jen erklärte, normalerweise die Post flussabwärts brachte. Heute jedoch diente es zu Ehren des Rennens als Hotdogstand.
Zwei kolossale Flutlichtlampen erhellten die Dunkelheit, und zum ersten Mal, seit sie in Bethel gelandet war, bekam Trixie einen richtigen Eindruck von der alaskischen Tundra. Die Landschaft bestand aus blassblauen und mattsilbrigen Tönen. Der Himmel war eine umgedrehte Schüssel aus Sternen, die in die Kapuzen der Yupik-Kinder fielen. Und Eis, so weit das Auge reichte. Hier war gut nachvollziehbar, warum die Menschen einst glaubten, man könnte vom Rand der Welt
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