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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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eines Jungen, die ihr den Rücken herabfuhr. Laura zwang sich, an Jason Underhill zu denken. Er sah gut aus – wildes schwarzes Haar, hellblaue Augen, athletischer Körper. In Bethel kannte ihn jeder. Selbst Laura, die sich nicht für Eishockey interessierte, hatte Jasons Namen wieder und wieder im Sportteil der Zeitung gelesen. Als Daniel besorgt war, weil Trixie mit einem älteren Jungen ausging, hatte Laura ihn beruhigt. Sie hatte tagtäglich mit jungen Leuten zu tun, die kaum älter waren, und sie wusste, dass Jason ein guter Fang war. Er war intelligent, höflich und in Trixie verknallt, hatte sie Daniel erklärt. Die ideale erste große Liebe.
    Aber wenn sie jetzt an Jason Underhill dachte, fragte sie sich, wie verführerisch diese blauen Augen gewesen waren. Wie stark ein durchtrainierter Sportler war.
    Wenn sie die ganze Schuld Jason Underhill anhängen konnte, dann war sie selbst fein raus.

    Trixie war jetzt seit achtundvierzig Stunden wach. Ihre Augen brannten, ihr Kopf war zu schwer, und in ihrer Kehle hatten sich die Überreste der Geschichte abgelagert, die sie wieder und wieder erzählt hatte. Dr. Roth hatte ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, als sie fertig war.
    Sie hatte endlich unter die Dusche gedurft und war eine Ewigkeit im Bad geblieben und hatte fast ein ganzes Stück Seife verbraucht. Sie hatte versucht, sich da unten zu waschen, aber sie kam nicht richtig hin, dahin, wo sie sich noch immer schmutzig fühlte. Als die Ärztin keine inneren Verletzungen hatte feststellen können, hätte Trixie sie am liebsten gebeten, noch einmal nachzusehen.
    Â»He«, sagte ihr Vater, der den Kopf in ihr Zimmer steckte, »du gehörst ins Bett.«
    Trixie schlug die Decke zurück und kroch hinein. Bis gestern war es immer die Krönung des Tages gewesen, abends ins Bett zu kriechen. Für sie war das Bett eine Art Wolke oder ein behagliches Nest, wo sie sich von der Anstrengung erholen konnte, cool zu tun und perfekt auszusehen und immer das Richtige zu sagen. Jetzt jedoch kam es ihr wie ein Folterinstrument vor, ein Ort, wo sie die Augen schließen würde und sich wieder und wieder daran erinnern müsste, was passiert war.
    Ihre Mutter hatte den alten Stoffelch aufs Kopfkissen gesetzt. Trixie presste ihn sich an die Brust. »Daddy?«, fragte sie. »Kannst du noch bei mir bleiben?«
    Es fiel ihm schwer, aber er brachte ein Lächeln zustande. »Klar.«
    Als Trixie klein war, hatte ihr Vater abends immer noch eine Weile an ihrem Bett gesessen.
    Â»Unterhältst du dich ein bisschen mit mir?«, bat Trixie.
    Trixies Vater strich ihr das Haar aus der Stirn. »Erzähl mir nicht, dass du noch nicht müde bist.«
    Erzähl mir nicht, dass du es nicht auch willst, hatte Jason gesagt.
    Ihr Vater zog ihr die Decke unters Kinn. »Ich schick Mom hoch, damit sie dir Gute Nacht sagt«, versprach er und streckte den Arm aus, um das Licht auszumachen.
    Â»Lass es an«, sagte Trixie panisch. »Bitte.«
    Er hielt unvermittelt inne, die Hand in der Luft. Trixie starrte auf die Glühbirne, bis sie nur noch dieses helle Leuchten sah. Ein helles Leuchten sieht man angeblich, kurz bevor man stirbt.

    Das Schlimmste für Mike Bartholemew an seinem Job war es, Eltern mitteilen zu müssen, dass ihr Kind tödlich verunglückt war oder Selbstmord begangen hatte oder an einer Überdosis gestorben war. Es gab einfach keine richtigen Worte für diese Art von Botschaft, und wer die Nachricht erhielt, stand einfach nur da und starrte ihn an und war überzeugt, ihn falsch verstanden zu haben. Das Zweitschlimmste an seinem Job war der Umgang mit Vergewaltigungsopfern. Jedes Mal, wenn er eine solche Aussage aufnehmen musste, fühlte er sich auch irgendwie schuldig, weil er dasselbe Geschlecht hatte wie der Täter. Und selbst wenn die Beweislage für einen Prozess reichte und es zu einer Verurteilung kam, fiel die Strafe überwiegend viel zu mild aus. Das Opfer war häufig noch in Therapie, wenn der Vergewaltiger längst wieder auf freiem Fuß war.
    Den meisten Laien war häufig nicht klar, dass beide, ein Vergewaltigungsopfer und das Opfer eines tödlichen Autounfalls gleichermaßen unwiederbringlich verloren waren. Mit einem Unterschied: Das Vergewaltigungsopfer musste fortan so tun, als lebte es noch.
    Bartholemew stieg die Treppe zu seiner Wohnung über der Milchbar hoch. Er war nach seiner Scheidung dort

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