Schuldig
Welches Zauberzeug würde den Fleck entfernen, den er für alle Zeit auf ihr hinterlassen hatte?
»Mr. Stone?«
Daniel blinzelte. »Entschuldigung.«
»Könnte ich Sie kurz drauÃen sprechen?«
Er folgte Bartholemew auf den Flur der Polizeiwache. »Hören Sie«, sagte der Detective. »Ich erlebe so etwas öfter.«
Das überraschte Daniel. Die letzte Vergewaltigung in ihrer Kleinstadt lag seines Wissens über zehn Jahre zurück, und damals war der Täter ein durchreisender Tramper gewesen.
»Viele junge Mädchen glauben, sie wären bereit, Sex zu haben ⦠aber dann ändern sie ihre Meinung, hinterher.«
Daniel brauchte einen Moment, um seine Stimme wiederzufinden. »Wollen Sie etwa behaupten, meine Tochter ⦠lügt?«
»Nein. Aber ich möchte Ihnen klarmachen, dass Sie vielleicht nicht das erwünschte Ergebnis bekommen, falls Trixie bereit ist, als Zeugin auszusagen.«
»Sie ist vierzehn, Himmelherrgott«, sagte Daniel.
»Manche Kids haben schon früher Sex. Und laut ärztlichem Befund liegen keine nennenswerten inneren Verletzungen vor.«
»Das heiÃt, sie ist nicht genug verletzt worden?«
»Ich will damit sagen, dass ein Geschworenengericht angesichts der Umstände â Alkohol, Strip-Poker, die frühere Beziehung zu Jason â womöglich nicht an eine Vergewaltigung glauben wird. Der Junge wird behaupten, es ist in gegenseitigem Einvernehmen passiert.«
Daniel knirschte mit den Zähnen. »Wenn Ihnen ein Mordverdächtiger erzählt, er ist unschuldig, lassen Sie ihn dann einfach laufen?«
»Das ist wirklich nicht dasselbe â¦Â«
»Richtig. Weil das Mordopfer tot ist und Ihnen nicht mehr sagen kann, was wirklich passiert ist. Im Gegensatz zu meiner Tochter , die da drin sitzt und Ihnen haargenau erzählt, wie sie vergewaltigt wurde, während Sie ihr gar nicht richtig zuhören , verdammt noch mal.« Er öffnete die Tür zu dem Besprechungszimmer und sah, dass Trixie ihren Kopf auf ihre auf dem Tisch verschränkten Arme gelegt hatte.
»Können wir jetzt nach Hause?«, fragte sie schwach.
»Ja«, sagte Daniel. »Der Detective kann uns anrufen, wenn er noch mehr Fragen hat.«
Sie waren schon halb den Flur hinunter, als Daniel sich noch einmal umdrehte und Bartholemew ansah. In dem falsch herum eingebauten Spiegel sah er ihre Gesichter, zwei gespenstisch schwebende weiÃe Ovale. »Haben Sie Kinder?«, fragte er.
Der Detective zögerte, schüttelte dann den Kopf.
»Dachte ich mir«, sagte Daniel und schob Trixie durch die Tür.
Zu Hause zog Laura Trixies Bett ab und bezog es neu, holte extra aus der Zedernholztruhe auf dem Dachboden eine karierte Flanelldecke und tauschte sie gegen Trixies normale Steppdecke aus. Sie hob die Kleidungsstücke auf, die verstreut herumlagen, ordnete die Bücher auf dem Nachttisch und versuchte den Raum in etwas zu verwandeln, das Trixie nicht an gestern erinnern würde.
SchlieÃlich nahm Laura den Stoffelch, den Trixie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr immer zum Schlafen gebraucht hatte, von einem Regal. Er war an manchen Stellen ganz kahl, und ein Auge fehlte, doch obwohl Trixie ihn ausrangiert hatte, hing sie noch immer an ihm. Laura setzte ihn mitten zwischen die Kissen, als wäre es genauso leicht, Trixie ihre Kindheit zurückzugeben.
Dann brachte sie die Wäsche nach unten und stopfte sie in die Waschmaschine. Während das Wasser in die Trommel lief, sank sie vor dem summenden Bauch der Waschmaschine zu Boden und brach in Tränen aus.
War sie so damit beschäftigt gewesen, ihr eigenes Geheimnis zu bewahren, dass sie keine Zeit gehabt hatte, Trixies zu enträtseln? Was wäre gewesen, wenn sie jeden Abend zu Hause verbracht hätte, statt sich mit Seth zu treffen? Was wäre gewesen, wenn sie Trixie Französischvokabeln abgefragt oder ihr eine Tasse Kakao aufs Zimmer gebracht hätte oder wenn sie sich mit ihr zusammen auf der Couch alte Sitcoms angeschaut und Witze über die ulkigen Frisuren der Darsteller gemacht hätte? Was wäre gewesen, wenn Laura ihrer Tochter einen Grund gegeben hätte, zu Hause zu bleiben?
Im Grunde wusste sie, dass es so nicht funktioniert hätte. Wenn Laura auf einmal die Ãbermutter gespielt hätte, wäre Trixie gar nicht darauf eingegangen. In ihrem Alter hatte die mütterliche Berührung keine Chance gegen die Hand
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