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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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mein Zimmer gingen, hatte irgendwer die Musik abgestellt.«
    Zephyr sammelte die Stofftiere ein und hielt sie im Arm wie einen Schatz. Sie ging zu einem leeren Regal. »Deshalb hab ich ja gedacht, Jason und Trixie wären nach Hause gegangen.«
    Â»Hast du Trixie um Hilfe schreien hören?«
    Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs merkte Bartholemew, dass Zephyr nach Worten suchte. »Wenn ich das gehört hätte«, sagte sie schließlich, und dabei bebte ihre Stimme ein ganz klein wenig, »wäre ich nach unten gelaufen.« Sie stellte die Bären dicht nebeneinander auf, sodass sie sich fast berührten. »Aber es war die ganze Nacht totenstill.«

    Bis Laura Daniel kennenlernte, war sie in jeder Hinsicht vorbildlich gewesen. In der Schule gehörte sie immer zu den Besten. Sie war stets sauber und ordentlich. Sie hatte nicht eine einzige Plombe in den Zähnen. Sie war Doktorandin an der Arizona State University und mit einem angehenden Betriebswirt namens Walter liiert, der sie schon in drei Juweliergeschäfte geführt hatte, um ihren Geschmack für die Verlobungsringe auszuloten. Walter war attraktiv, solide und berechenbar. Jeden Freitag gingen sie abends zusammen essen, tauschten ihre halb vollen Teller und sahen sich anschließend einen Film im Kino an. Bei der Auswahl der Filme wechselten sie sich ab. Hinterher diskutierten sie bei einer Tasse Kaffee über die schauspielerische Leistung der Darsteller. Dann begleitete Walter sie zurück in ihre Wohnung in Tempe und fuhr nach einem kurzen vorhersehbaren Geschlechtsakt nach Hause, weil er nicht gern in fremden Betten schlief.
    An einem dieser Freitage war das Kino wegen einer geplatzten Wasserleitung geschlossen. Daher entschieden sie und Walter sich für einen Bummel auf der Mill Avenue, wo sich an warmen Abenden Straßenmusikanten und Gaukler tummelten.
    Es waren auch etliche Künstler da, die Passanten mit Bleistift oder Kohle porträtierten oder Karikaturen mit Magic Markers aufs Blatt zauberten, die nach Lakritz rochen. Walter schlenderte auf einen Mann zu, der über seinen Zeichenblock gebeugt war. Der Künstler hatte schwarzes Haar, das ihm bis auf den Rücken fiel, und tintenverschmierte Hände. Hinter ihm war eine Pappwand, an die er lebhafte Zeichnungen von Batman und Superman und Wolverine geheftet hatte. »Die sind ausgezeichnet«, sagte Walter, und Laura dachte in dem Moment, dass sie ihn noch nie so begeistert erlebt hatte. »Als kleiner Junge hab ich Comics gesammelt.«
    Als der Künstler aufsah, fielen ihr seine unglaublich hellblauen Augen auf, und sie waren auf Laura gerichtet. »Zehn Dollar das Stück«, sagte er.
    Walter legte einen Arm um Laura. »Kannst du sie zeichnen?«
    Ehe sie recht wusste, wie ihr geschah, saß sie schon auf einer umgedrehten Bierkiste. Während die Zeichnung Gestalt annahm, versammelte sich eine interessierte Menschenmenge um sie. Laura schielte zu Walter hinüber und wünschte, er hätte das nicht vorgeschlagen. Sie erschrak, als sie spürte, wie sich die Finger des Malers um ihr Kinn legten und ihr Gesicht in seine Richtung drehten. »Nicht bewegen«, ermahnte er sie, und sie roch Nikotin und Whiskey.
    Als er fertig war, überreichte er Laura die Zeichnung. Sie hatte den Körper einer Superheldin – muskulös und geschmeidig –, aber Haare, Gesicht und Hals waren unverkennbar sie. Um ihre Füße wirbelte eine Galaxie von Sternen. Im Hintergrund waren Gesichter skizziert – die Leute, die zugeschaut hatten. Walters Gesicht war ganz am Rand. Aber direkt neben Laura war ein Mann, der genauso aussah wie der Zeichner. »Damit du mich eines Tages wiederfinden kannst«, sagte er, und sie hatte das Gefühl, als wäre in ihrem Innern ein gewaltiger Sturm aufgezogen.
    Laura blickte Walter an, der den Zehndollarschein in der Hand hielt. Sie hob das Kinn. »Wie kommst du darauf, dass ich überhaupt suchen werde?«
    Der Künstler grinste: »Wunschdenken.«
    Als sie weitergingen, sagte Laura zu Walter, es sei die schlechteste Zeichnung, die sie je gesehen habe – sie hätte doch nicht so dicke Waden, und nie im Leben würde sie Stiefel anziehen, die bis über die Knie gingen. Sie hatte vor, das Blatt in den Papierkorb zu werfen, sobald sie nach Hause kam. Doch stattdessen ertappte sich Laura in jener Nacht dabei, wie sie auf die energische Signatur des Künstlers starrte:

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