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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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nach Tabak. Er musste aufstehen und sich hinausbegeben, um Lebensmittel und Zigaretten zu besorgen. Blass und schlaftrunken ging er auf die Straße hinunter. Immer noch leer im Kopf, aber die Tagträume verwehten sofort im rauen Wind. Erst hier, in dem blassen winterlichen Tageslicht, wurde ihm die Erregung bewusst, die der Mord hervorgerufen hatte. Die Schlagzeilen der Zeitung gellten ihm entgegen. Sie starrten ihn lüsternd an und schrieen eine Mischung aus Trauer und Lynchstimmung hinaus. Hinter ihm, dem Namenlosen, waren sie her.
    Martin wurde fast von Panik ergriffen, und sein erster Gedanke war, sofort nach Hause umzukehren. Die Angst packte ihn mit ihren abscheulichen Klauen, und trotz der Kälte brach ihm der Schweiß aus. Ein Bus hielt ganz in der Nähe, und er versuchte, sein Gesicht zu verbergen. Als er sah, dass die Menschen, die ausstiegen, auch die Köpfe beugten, um sich gegen den starken Wind zu behaupten, wurde er ruhiger. Sie schlugen ihre Kragen hoch und gingen ohne einen einzigen Blick an ihm vorüber. Alles war wie gewohnt.
    Trotzdem wanderte er fast eine Stunde ziellos in den Straßen umher. Manchmal nahm er seine Zuflucht zu den Parkanlagen, die kein Mensch bei diesem Schneewetter aufsuchte. Er dachte an nichts. Er ging nur und ging, als ob er darauf wartete, dass der Anfall von Furcht von selbst nachlassen würde. Zuletzt wurde die Gier nach einer Zigarette übermächtig. Er nahm seinen Mut zusammen und betrat einen kleinen Laden, den er nie zuvor aufgesucht hatte, um das Allernotwendigste einzukaufen. Als er bezahlte, wagte er nicht, die Kassiererin anzuschauen.
    An diesem Abend und an den nächsten Tagen las er alle Zeitungen, die er bekommen konnte. Gespannt und aufgeregt verfolgte er die Reportagen über die Mordfahndung im Radio und im Fernsehen. Das tat ihm gut. Je mehr Berichte er las und hörte, desto schneller wurde er von einer, wie er jetzt glaubte, übertriebenen Angst kuriert. Schließlich war es so, als ginge ihn das eigentlich nichts an. Die Journalisten erzählten eine ganz andere Geschichte, eine Abenteuergeschichte, die er aus Büchern oder aus Filmen kannte. Manchmal lachte er laut über all die wahnsinnigen Behauptungen und Verschwörungstheorien. Er staunte am meisten darüber, dass sich so viele Zeugen gemeldet hatten. Er war sich sicher, dass er sorgfältig den richtigen Augenblick gewählt hatte. Obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, wie er auf dem Gehweg wartete, war er überzeugt, dass sich niemand außer dem Opfer in seiner allernächsten Nachbarschaft aufgehalten hatte.
    Einer Morgens erwachte Martin und entdeckte, dass die Erinnerungslosigkeit verschwunden war. Er hatte wieder eine traumlose Nacht gehabt, aber irgendwie musste sein Gehirn im Schlaf zu einer Schlussfolgerung gekommen sein. Die ihn jagten, wussten sehr wenig, fast nichts. Wenn er den Zeitungen glauben durfte, verfolgte die Polizei ganz falsche Spuren. Niemand verband ihn mit dem Mord. Es gab niemanden in der Fahndungsgruppe, der von seiner Existenz wusste. Wenn er nur weiter so einfach und zurückgezogen lebte wie sonst, würde ihm nichts geschehen. Trotzdem war es aus Gründen der Sicherheit wichtig, dass er die Innenstadt mied, vor allem den Schauplatz des Mordes und die Avenue.
    Sein Gedächtnis funktionierte wieder lückenlos, die Unruhe und die Angst bedrängten ihn aber nach wie vor. Solange er mit einer praktischen Tätigkeit oder mit einer Überlegung beschäftigt war, konnte er die Angst zurückhalten, sie war aber die ganze Zeit nur umhüllt wie eine Eiterbeule. Er durfte die Polizei nicht unterschätzen. Die Spekulationen der Zeitungen könnten bewusste gelegte falsche Spuren sein. Die Polizei hatte die volle Unterstützung der starken Gesellschaft, und diese besaß den Zugang zu allen Mitteln der Macht. Die misstrauischen Augen konnten in die Zehntausenden gehen. Logisch betrachtet müsste es eigentlich aussichtslos sein, dass ein einzelner diese Gesellschaft herausforderte. Letzten Endes war es ja gerade das, was er erreichen wollte. Jetzt stand er allein gegen alle, und er würde ihnen beweisen, dass er allein stärker war als anderen zusammen.
    Was ihn am meisten beunruhigte, der schwächste Punkt, war er selbst. Er war sich sehr wohl bewusst, dass er eine Menge schlechter Angewohnheiten hatte.
    Manchmal murmelte er laut vor sich hin, er sprach die Gedanken aus, die alle anderen Menschen hinter zusammengepressten Lippen für sich behielten. Deshalb musste er in der Zukunft auf

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