Schule der Lüfte wolkenreiter1
kicherten.
Lark ging mit den anderen zusammen in den Saal, doch nachdem sie sich das Gesicht gewaschen und Kappe, Handschuhe und Mantel weggeräumt hatte, war sie gar nicht müde. Es war ein so langer, seltsamer Tag gewesen. Sie sah das Gesicht des alten Kräuterweibs vor sich und dann das kalte Lächeln von Fürst Wilhelm.
Einige Mädchen lagen bereits in den Betten. Hester und Anabel gähnten und zogen sich die Nachthemden über. Lark entledigte sich ihrer Stiefel und blieb auf der Bettkante sitzen. Sie dachte an den armen, lieben Silberwolke, der zusehen musste, wie alle anderen Pferde ohne ihn davonflogen. Als sie das letzte Mal in Park Dikkers gewesen war, hatte er ihr so sehnsüchtig hinterhergeblickt. Der heutige
Tag musste hart für ihn gewesen sein, noch schlimmer als für Tup und all die anderen Pferde aus der ersten Klasse. Wolke hatte Grund gehabt zu erwarten, dass er mit den anderen die Formationen flog.
Die anderen Mädchen schliefen schnell ein, sogar ohne noch den letzten Tratsch auszutauschen. Lark zog ihre Stiefel wieder an und holte ihren Mantel hervor. Auf Zehenspitzen schlich sie sich aus dem Schlafsaal und die Treppe hinunter.
Der Hof war verlassen. Die meisten Fenster der Halle und des Wohnhauses waren dunkel, und in ihren Scheiben spiegelte sich das Licht des fast vollen Mondes. Im Lesesaal brannte noch eine einzige Lampe. Die Wohnungen über den Ställen waren ebenfalls dunkel und ruhig. Es fühlte sich an, als hätte Lark die ganze Akademie für sich allein. Nicht einmal ein Oc-Hund begrüßte sie, als sie den Hof überquerte.
Sie holte ein bisschen Futter aus der Kammer und fand Silberwolkes Stall am Ende eines der langen Gänge.
Der Wallach legte den Kopf auf die Mauer, und Lark streichelte seine Wange. »Wolke«, murmelte sie. »War es sehr schlimm für dich heute? Armer Kerl! Vielleicht sprechen Meisterin Winter oder Leiterin Morghen mit ihr und können etwas für dich tun.«
Sie gab ihm ein bisschen Getreide. Wolke leckte es vorsichtig von ihrer Hand und blies seinen warmen Atem über ihre Wange. »Ah, erkennst du mich wieder? Ja, mein Braver. Schön, dich zu sehen.«
Sie kraulte die Ohren des Wallachs und sog den vertrauten Geruch von Pferd, Heu und Sägemehl ein. Nach einer ganzen Weile wurde sie schließlich müde. Sie murmelte Silberwolke »Gute Nacht!« zu und ging weg. Nur noch ein Blick auf Tup, dachte sie, und dann endlich ins Bett.
Sie lief den Gang hinunter zwischen den ruhigen Ställen hindurch. Die geflügelten Pferde nickten ihr schläfrig zu. Als ein oder zwei wieherten, sprach sie in beruhigendem Ton auf sie ein. Sie bog um die Ecke, blickte über den Hof und sah, dass auch die letzte Lampe im Wohnhaus erloschen war. Sie schien die einzige Person in der ganzen Akademie zu sein, die noch wach war. Bei dem Gedanken musste sie lächeln, und obwohl sie mittlerweile wirklich müde war und schlafen wollte, mochte sie diesen seltenen Moment der Ruhe nicht aufgeben.
Sie ging zu Tups Stall.
Als sie dort ankam, dachte sie zuerst, der Mond sei vielleicht schon untergegangen, denn sie konnte ihr Fohlen nirgends entdecken. »Tup? Wo bist du?« Sie öffnete das Gatter.
Molly stapfte auf sie zu und meckerte unglücklich. Plötzlich erschien Beere hinter Lark und knurrte vor sich hin.
Lark drängte sich an Molly vorbei und blickte in den dunklen Stall. Sie sah nichts.
Mit einem erstickten Schrei drehte sie sich um und streckte die Hand in die Dunkelheit. Nichts.
Beere knurrte lauter, und Molly meckerte wieder und wieder. Aber es war nichts von Tup zu hören. Der Stall war leer.
Tup war weg.
Kapitel 30
P hilippa hatte das Gefühl, ihre Knochen schmerzten vor Erschöpfung. Margret hatte sich ausruhen müssen, und so war es Philippa zugefallen, mit Herbert zu sprechen, mit der Hausdame die Betten- und Essensfragen zu klären und die zurückkehrenden Fliegerinnen zu begrü ßen. Sie hatte Soni abgerieben und ihm eine zusätzliche Portion Futter gegeben. Dann hatte sie eine Runde durch die Ställe gedreht und sichergestellt, dass alle geflügelten Pferde gleich gut versorgt waren. Sie hatte im Eingang zur Halle gestanden, den Besuchern ihren Tisch gezeigt, die Pferdemeisterinnen, die sie kannte, willkommen geheißen und sich den wenigen vorgestellt, denen sie bislang nicht begegnet war.
Irina Stark machte aus ihrem Triumph keinen Hehl, doch Philippa war zu beschäftigt und müde, um sich um sie zu kümmern. Sie deutete schlicht und wortlos auf das Tischende und drehte sich
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