Schule der Lüfte wolkenreiter1
dann weg, um eine Pferdemeisterin aus dem Osten zu begrüßen.
Der Abend schien genauso endlos wie der Tag. Als sie sich schließlich die Stufen zu ihrer Wohnung hinaufschleppen durfte, fühlte sie sich unruhig und nervös. Sie zog ihr Nachthemd an und wie so häufig wickelte sie sich in ihre Decke, setzte sich ans Fenster und sah zu, wie die Lichter um den Hof herum nach und nach erloschen, zuerst im Schlafsaal, dann in der Halle, dann in den beiden Fenstern
über den Ställen und schließlich die letzte Lampe im Wohnhaus.
Sie saß immer noch dort, als ihre Lider schließlich schwer wurden. Die Füße auf der Fensterbank, den Kopf an der gepolsterten Sessellehne, fühlte sie sich wohl. Das silberne Mondlicht schien auf die Stallungen und die Koppeln, und in der Himmelsakademie kehrte Frieden ein.
Beinahe hätte Philippa nicht bemerkt, wie eine schmale Gestalt in einem schwarzen Reitmantel den Hof überquerte. Sie hatte sich gerade aufraffen wollen, um ins Bett zu gehen. Die schlanke Gestalt bewegte sich behände und mit der Leichtigkeit der Jugend. Es musste eines der Mädchen sein. Wieso lag es nicht in seinem Bett?
Philippa stellte die Füße auf den Boden und beugte sich zum Fenster vor. Das Mädchen schlüpfte in die Stallungen und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Selten, vielleicht wenn ein Pferd krank war, hatte eine Schülerin die Erlaubnis, nachts den Schlafsaal zu verlassen und nach ihrem Tier zu sehen. Doch wenn ein Pferd krank wäre, hätten Philippa und Margret es als Erste erfahren.
Philippa stand eine Weile unschlüssig da. Die Hoffnung auf Schlaf hatte sich verflüchtigt, auch wenn sie morgen erschöpft sein würde. Langsam und ohne die Stalltür aus den Augen zu lassen, griff sie nach ihren Stiefeln und ihren Kleidern. Ein ungutes Gefühl beschlich sie, eine Ahnung, dass da etwas Schlimmes vor sich ging.
In der Nacht, bevor der Südturm angegriffen wurde, hatte sie dasselbe Gefühl gehabt, dieses penetrante Stechen unter ihrem Brustbein. Sie wünschte, sie könnte es vertreiben, es einfach ausschalten, damit sie schlafen könnte. Doch sie wusste aus Erfahrung, dass ein solcher Versuch sinnlos war.
Kaum fünf Minuten später sauste die Gestalt der Schülerin mit einem Oc-Hund an ihrer Seite von den Stallungen auf das Wohnhaus zu. Philippa fluchte und eilte aus ihrem Zimmer die Treppen hinunter. Das Mädchen klopfte an die verschlossene Tür, als Philippa auch schon den Riegel zurückschob und das schwere Portal aufzog.
Sie war keineswegs überrascht, Larkyn Hammloh vor sich zu sehen. Das Gesicht des Mädchens war ein weißer Fleck im Mondschein. Der Oc-Hund an ihrer Seite jaulte eindringlich:
»Meisterin Winter!«, rief Larkyn. »Man hat Tup mitgenommen!« Sie fing an zu schluchzen.
»Schhh, Kind, ruhig«, beruhigte Philippa sie, trat nach draußen und zog die Tür hinter sich zu. »Er muss ja irgendwo sein. Kommen Sie, dass wir nicht die anderen aufwecken. Alle sind erschöpft. Holen wir Herbert und eine Laterne und sehen nach, was geschehen ist.«
Sie sprach mit einer Zuversicht, die sie eigentlich nicht empfand. Das Ziehen in ihrer Magengegend verhieß nichts Gutes. Als sie zurück zu den Ställen liefen, legte sie eine Hand auf die Schulter des Mädchens und spürte, wie Larkyn schluchzte. Sie ging die Stufen zu Herberts Wohnung hinauf und klopfte an seine Tür. Ohne auf ihn zu warten, ging sie zur Sattelkammer und holte eine Laterne. Schließlich hatte sie Streichhölzer gefunden und die Lampe entzündet. Herbert war auf dem Weg die Treppe hinunter; das Hemd hatte er in der Eile falsch geknöpft, und es hing halb aus der Hose. Lark führte sie den Gang hinunter zu dem Stall von Schwarzer Seraph und versuchte ihr panisches Schluchzen zu unterdrücken.
Philippa hielt die Laterne hoch und sah über die Mauer.
Nur die kleine Ziege blickte sie an, deren Augen im
Schein der Lampe blitzten. Molly entdeckte Larkyn auf Philippas einer Seite und Herbert auf ihrer anderen und meckerte verzweifelt.
»Bei Kallas Fersen!«, stieß Philippa knirschend hervor. »Haben Sie eine Ahnung, was hier los ist, Herbert?«
»Nein«, grunzte er. »Und Rosella ist nicht in ihrem Zimmer.«
Philippa drehte sich um und starrte ihn an. »Ist sie nicht? Denken Sie, dass sie hiermit etwas zu tun haben könnte?«
Larkyn schniefte. »Rosella? Sie würde nie …«
Herbert schüttelte den Kopf. »Sie haben Recht«, pflichtete er ihr bei. »Das Mädchen würde niemals bei etwas mitmachen, das einem Pferd schaden
Weitere Kostenlose Bücher