Schule der Lüfte wolkenreiter1
ich muss schließlich mit ihr arbeiten, und sie hat mir gedroht …«
»Sie arbeiten für mich! «, fuhr er dazwischen. »Sie kann Ihnen nicht drohen!«
»Aber sie sagte, wenn der Rat erfährt, was Sie …« Sie verstummte mit offenem Mund und wurde blass vor Schreck, als der Fürst aufsprang.
In seinem Kopf waberte undeutlich eine Idee; er holte
tief Luft und wartete, dass sie Gestalt annahm. Dann trat er einen Schritt auf die Pferdemeisterin zu, beugte sich vor und registrierte amüsiert, wie sie furchtsam zurückzuckte. »Irina«, er sprach leise und drohend. »Es muss nicht sein, dass Philippa Winter mit dem Rat spricht. Ebenso wenig zwingend muss sie Sie oder mich in Gefahr bringen.«
Irina Stark stand langsam auf und trat bedachtsam zurück, bis sie hinter ihrem Stuhl stand. Als ob sie dort sicher wäre! Die Angst in ihrem Gesicht befriedigte ihn. Er zog die Gerte aus seinem Gürtel und ließ ihr kaltes Leder durch seine Finger gleiten.
»Reisen Sie zurück ins Hochland«, befahl er mit seidiger Stimme. »Und kümmern Sie sich um sie.«
»Was meinen Sie damit, ich soll mich um sie kümmern? «
»Stellen Sie sich nicht dumm!«, stieß er hervor. Er hob die Gerte, und Irina huschte zur Seite. »Sollte Philippa nicht aus dem Hochland zurückkehren, wäre alles andere unwichtig, selbst diese verschwundene Bauerngöre.«
»Durchlaucht …« Irina starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Ihre Pupillen waren riesige schwarze Scheiben. »Durchlaucht, mein Fürst … was verlangen Sie da von mir?«
Er verzog die Lippen zu einem wohlkalkulierten Schmunzeln, dann trat er mit erhobener Gerte auf sie zu. »Halten Sie Philippa auf«, zischte er leise. »Fliegen ist doch gefährlich, oder etwa nicht? Es geschehen immer wieder tragische Unfälle. So etwas kommt eben vor.« Er genoss Jinsons starren Blick und den erschrockenen Gesichtsausdruck der Frau und fuhr noch leiser fort: »Pferdemeisterinnen sterben eben ab und an in der Erfüllung ihrer Pflicht.«
»Fürst Wilhelm«, erwiderte Irina schwach. »Ich könnte niemals … vorsätzlich …«
» Was ? Was könnten Sie niemals?«, erkundigte er sich immer noch lächelnd. »Sie werden tun, was ich Ihnen sage, Irina. Sie stecken bereits viel zu tief in dieser Angelegenheit mit drin. Jetzt können sie nicht mehr zurückzucken. Ich bin Ihre einzige Hoffnung.« Er drückte ihr die Gerte in die Hand. Ihr Gesicht war weiß und starr wie ein vereistes Feld. Sie würde es tun, davon war er überzeugt. Sie hatte sich selbst in diese ausweglose Situation manövriert.
»Jinson«, er wandte sich fast beiläufig an den Zuchtmeister. »Ich will keinen anderen Hengst. Wir warten, bis der kleine Schwarze zurückkommt. Und diesmal werden wir uns dieser Göre ebenfalls versichern.«
Er zog mit beiden Händen seine Weste glatt und verließ den Raum. Es tat gut, die Kontrolle zu haben, Macht zu besitzen. Das war fast jedes Opfer wert. Sein Vater hätte ihn sicher verstanden und ihm beigepflichtet, ganz bestimmt.
Kapitel 39
S ie suchten einen weiteren Tag und dann noch einen. Nikh setzte seine Runden mit dem Ochsenkarren fort und befragte überall, wo er ihre Waren feilbot, die Leute, doch es kam nichts dabei heraus. In Wahrheit, meinte er eines Abends besorgt, bezweifle er, dass ein geflügeltes Pferd im Hochland aufgetaucht sei, ohne dass alle davon wüssten.
Inzwischen war Philippa vier Tage auf dem Unteren Hof, als sie sich gerade in ihrem Zimmer wusch und dabei ihr Spiegelbild in dem alten, angelaufenen Spiegel über der Kommode bemerkte. Sie hielt inne, und während das Wasser von ihren Händen in die Schüssel tropfte, betrachtete sie ihr eingefallenes Gesicht, die dunklen Ringe um die Augen und ihre spröden Lippen.
Ich sehe viel älter aus als siebenunddreißig, dachte sie. Die vielen Tage im Sattel, der wenige Schlaf und die Alpträume, die sie nachts quälten, hatten ihren Tribut gefordert.
Sie nahm das Handtuch vom Haken und wandte dem Spiegel den Rücken zu. Schließlich konnte sie an ihrem Aussehen nichts ändern, also war es das Beste, sich einfach nicht darum zu scheren. Dennoch bürstete sie sorgfältig ihre Haare, bevor sie sie zum Reiterknoten zusammensteckte, und massierte sich anschließend etwas Mandelcreme in die Gesichtshaut. Als sie ihre Reitertracht und die Stiefel anzog, mied sie den Blick in den Spiegel.
Auch Broh war die Anspannung der letzten Tage anzusehen. Er wirkte dünner und sprach von Mal zu Mal weniger, wenn sie sich beim Frühstück und
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