Schule der Lüfte wolkenreiter1
Abendessen begegneten. Heute wollte er mit dem Ochsenkarren nach Nordwesten in die Bergdörfer fahren. Philippa, die die nächste Nachbarschaft bereits gründlich untersucht hatte, würde vorweg fliegen, am Gipfel des Berges beginnen, sich von dort hinunterarbeiten und die Wiesen und Täler so gut es ging aus der Luft erkunden.
»Ich bin schon einmal dort gewesen«, erzählte sie ihm, als sie schwarzen Tee tranken und pochierte Eier aßen, die Peonie zubereitet hatte. »Ich finde wieder nach Moosberg.«
Broh erhob sich vom Tisch und nahm seinen Hut vom Haken neben der Küchentür.
Philippa setzte ihre Kappe auf und folgte ihm hinaus in den Hof. Nach Tagen voll milden Sonnenscheins braute sich in den Bergen ein Frühlingsgewitter zusammen. Sie blickte finster zum Himmel hinauf. »Hoffen wir, dass es wenigstens nicht regnet.«
Broh folgte ihrem Blick. »Können Sie im Regen überhaupt fliegen?«
»Solange er nicht zu stark wird. Die Blitze machen die Angelegenheit ein bisschen schwierig. Und dann der unberechenbare Wind.«
Er knurrte zustimmend.
Soni war satt und erholt und begierig darauf zu fliegen. Philippa sattelte sie und führte sie hinaus auf den Weg. Broh stand dort mit dem Ochsenkarren. Nikh hatte sich einen anderen Karren geliehen und war bereits mit Milch und Butter unterwegs. Die Hammlohs hatten Philippa einen Steigblock bereitgestellt, doch sie ignorierte
ihn. Sie sprang mit einem eleganten Satz auf Sonis Rücken und hörte Brohs anerkennendes Murmeln. Sie sah ihn zwar nicht an, aber seine Reaktion freute sie. Ihr gelungener Aufstieg aus dem Stand gab ihr ein bisschen Selbstbewusstsein zurück, was ihr nach dem Schock ihres Spiegelbilds sehr willkommen war.
Sie schob die Stiefelspitzen in die Steigbügel und wendete Soni. Als sie an dem Ochsenkarren vorbeitrabte, hob sie zum Abschied die Hand. »Viel Glück«, rief sie.
Broh tippte mit den Fingern an seine Hutkrempe und kletterte auf den Bock des Karrens. Soni trabte schneller, fiel in einen Galopp und trug Philippa kurz darauf in den kühlen grauen Morgenhimmel hinauf. Sie nahm von selbst Kurs nach Nordwesten. Offenbar wusste Soni, was sie vorhatten, dachte Philippa. Sie stellte sich vor, dass auch Soni jedes freie Feld absuchte, jede Lichtung, jeden Zoll des Bodens, auf dem ein geflügeltes Pferd und seine Reiterin gelandet sein mochten.
Sie legte ihre behandschuhte Hand auf Sonis Hals und murmelte durch den Wind: »Du bist ein prächtiges Mädchen, Wintersonne. Wollen wir heute unsere verlorenen Küken finden?«
Wie zur Antwort schlug Soni kräftig mit den Flügeln und hielt in gerader Linie auf die grünen Hügel zu.
Das Wetter blieb den Morgen über und bis in den frühen Nachmittag hinein freundlich. Philippa tat auch heute das Gleiche wie an den letzten beiden Tagen: suchen, landen, ausruhen und etwas essen, dann wieder starten und weitersuchen. Sie arbeiteten sich durch die Berge in Richtung Moosberg vor. Sie kamen an derselben Wiese vorbei, auf der sie vor ein paar Monaten gelandet waren, als Philippa nach dem Sattel gesucht hatte, der auf dem Markt
zum Kauf angeboten worden war. Kurz bevor Soni den Boden berührte, hatte es zu nieseln begonnen. Der Regen machte das Gras rutschig und glitzerte auf der schwarzen Felsenklippe, welche die Wiese von dem unteren Feld trennte. Philippa knöpfte ihren Reitmantel bis zum Hals zu und führte Soni unter einen Baum, damit sie möglichst trocken blieb.
Die Stute senkte den Kopf und knabberte an dem Gras, das direkt unter den Zweigen wuchs. Philippa ließ sie grasen, während sie den Rücken an den harzigen Stamm lehnte und sich langsam daran zu Boden gleiten ließ. Sie war ganz steif vor Müdigkeit. Der Regen wurde stärker, prasselte auf die Blätter und durchnässte die kahle Erde um sie herum.
Sie schätzte gerade die Tageszeit nach dem schwächer werdenden Licht ein und beschloss, zum Unteren Hof zurückzukehren, als Soni den Kopf hochwarf, die Ohren aufstellte und wieherte.
Philippa kannte dieses Wiehern. Sie sprang auf, alle Müdigkeit wie weggewischt, und trat hinaus in den Regen, um zu sehen, was die Aufmerksamkeit der Stute erregt hatte.
In der Ferne sah sie am grauen Himmel eine Fliegerin hoch über der Felsklippe kreisen. Sie bereitete sich offensichtlich gerade auf die Landung vor.
Philippa wirbelte zu Soni herum und sprang in den Sattel. Soni wendete auf der Hinterhand und galoppierte bereits die Wiese hinunter, als Philippa noch gar nicht richtig im Sattel saß. Während die
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