Schule der Lüfte wolkenreiter1
zitterte, stützte sich auf den Arm der jungen Frau und blickte wie betäubt auf die reglose Gestalt,
die einmal eine Pferdemeisterin gewesen war. Sie bemerkte kaum, dass Soni Tup zum Ende der Wiese führte, dort sanft sank und landete. Starke Lady flog mit frei schwingenden Zügeln hinter ihr her. Sie umkreiste wieder und wieder das Feld, als wüsste sie nicht, was sie tun sollte. Dann rief sie nach ihrer Herrin. Sie begann immer heftiger mit den Flügeln zu schlagen, bis sie müde wurde und schließlich landete, wenn auch ungeschickt. Dann galoppierte sie zu Irinas Leiche und umkreiste sie, als wollte sie die Tote dazu bringen, wieder aufzustehen.
Meisterin Winter galoppierte zur Hütte, Tup folgte ihr. Sie war noch ein halbes Dutzend Längen entfernt, als Philippa bereits aus dem Sattel sprang und auf Lark zulief.
»Larkyn! Ich bin so froh, Sie lebend zu sehen. Ich kann gar nicht sagen …«
Abrupt brach Meisterin Winter ab und starrte das namenlose Mädchen an.
Lark bemerkte, wie sehr die junge Frau zitterte. Sie war leichenblass geworden und verzerrte das ganze Gesicht, als sie zu sprechen versuchte. Lark sah verwirrt Meisterin Winter an.
»Bei Kallas Fersen!«, rief Philippa verdattert. »Pamella Fleckham!«
Kapitel 40
D ie nächsten Stunden stürzten Philippa in ein wahres Chaos der Gefühle. Natürlich war vorrangig, dass Larkyn und Schwarzer Seraph in Sicherheit waren. Larkyn war zwar verletzt worden, doch offenbar hatte jemand ihre Wunden versorgt. Schwarzer Seraph war dagegen ganz der Alte, unversehrt und putzmunter. Der sinnlose Tod von Irina Stark dagegen belastete Philippa sehr. Er legte sich wie ein weiterer Stein in die Waagschale von Wilhelms Verstößen.
Und dass sie Pamella, Friedrichs verlorene Tochter, in der winzigen Hütte eines Kräuterweibs entdeckte, wo sie sich versteckt gehalten hatte, gab ihr fast den Rest.
Eine Weile war sie zu sehr in Gedanken versunken, um auch nur Fragen zu stellen. Pamellas Anblick hatte sie zutiefst erschrocken. Dieses eigenwillige, verzogene Mädchen, an das sich Philippa sehr gut erinnerte, war jetzt Larkyns Krankenschwester und ging mit ihr hinaus auf das regennasse Feld, um ihr zu helfen, Irina Starks Leichnam in die kleine Werkstatt zu schleppen. Soni, Schwarzer Seraph und auch Starke Lady, die tief den Kopf hängen ließ, drängten sich unter dem kleinen Dachvorsprung aneinander, um nicht durchnässt zu werden. Philippa und Pamella legten Irina auf den Boden der Werkstatt. Pamella verschwand in der Hütte und kam mit einer zerlumpten Decke zurück, die Philippa auseinanderfaltete und über Irinas zerschmetterten Leichnam breitete. Pamella lief noch einmal
auf die Wiese hinaus und kam mit Irinas Gerte zurück, die sie Philippa stumm entgegenhielt.
Philippa nahm sie und rang nach Luft. Aus der Nähe erkannte sie, dass es Wilhelms aus schwarzem Leder geflochtene Gerte war, auf deren Griff in Silber die fürstlichen Insignien prangten. Sie brannte in ihrer Hand wie kaltes Feuer. Auch wenn sie sich Vorwürfe wegen ihres Aberglaubens machte, zitterten ihre Hände leicht, als sie die Gerte Irina auf die Brust legte.
In dem Augenblick erschien das Kräuterweib, eine verschrumpelte alte Bäuerin namens Dorsa, die eine absurde Verbeugung machte und Philippa mit ungetrübter Fröhlichkeit musterte.
Philippa kniete neben Irina. Sie zog die Decke über das zerschürfte Gesicht, hielt kurz inne und dachte, dass Irina einen hohen Preis für ihren Ehrgeiz bezahlt hatte. Als sie aufstand, blickte sie die alte Frau an und ergriff die Gelegenheit, ihrem Ärger und ihrer Sorge Luft zu machen. »Sie haben seit einer Woche ein geflügeltes Pferd mitsamt seiner Reiterin bei sich«, zischte sie. »Und Sie haben bis jetzt keine Meldung gemacht?«
»Ach nein, Meisterin«, sagte das alte Weib. Ihr graues Haar hing in fettigen Strähnen um ihren Kopf. »Ach nein«, wiederholte sie noch einmal. »Larkyn hatte Angst! Genau wie das Mädchen hier wollte sie nicht, dass irgendjemand davon erfuhr. Die alte Dorsa kümmert sich um ihre eigenen Angelegenheiten! Die Menschen im Hochland halten zusammen, o ja, ja!«
»Das …« Philippa zeigte auf Pamella. »Dieses Mädchen stammt nicht aus dem Hochland. Sondern es ist die Tochter von Fürst Friedrich, Prinzessin Pamella! Wieso haben Sie niemandem von ihr erzählt?«
Das alte Weib schien Philippas Standpauke nicht sonderlich zu beeindrucken. Sie grinste nur und zeigte dabei ihre spitzen gelben Zähne. »Sie hat ja kein Wort
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