Schule der Lüfte wolkenreiter1
Stall und schloss dann das Tor hinter ihr. Sie stellte den Eimer unter die prallen Zitzen der Ziege, hockte sich neben sie und lehnte den Kopf gegen ihre weiche Flanke. Molly stöhnte vor Erleichterung, als die Milch gegen das Blech des Eimers spritzte.
Kurz darauf spürte Lark, wie etwas von der anderen Seite gegen ihre Hände stupste. Sie hob den Kopf und sah über den Rücken der Ziege.
Sie konnte nur den Bogen von Tups schlankem Hals erkennen, denn das Fohlen hatte seine Schnauze geschickt
unter das Euter der Ziege geschoben. Sie nahm die Hände weg und wartete, dass das Fohlen die Zitzen fand. Es saugte! Irgendwie schien es auf einmal die natürlichste Sache der Welt zu sein.
»Ich bin das Dummerchen!«, stieß Lark zärtlich hervor. »Das hätte ich mir doch denken können.«
Sie blieb, wo sie war, die Hand auf der Schulter der Ziege. Molly wandte ihr ein Auge zu, dann verdrehte sie den Hals und betrachtete das Fohlen. Tup hatte sich zärtlich an sie gelehnt, und Molly hob ein bisschen die Rippen an, damit er besser an sie herankam. Der Stall war von dem zufriedenen Saugen des Fohlens erfüllt.
Lark stand langsam auf und lehnte sich gegen die Wand. Der Stand des Fohlens war fester geworden, der Kopf war hübsch geschnitten, und aus seinen Augen sprachen Wärme und Intelligenz. Selbst wenn sie vorsichtig versuchte, einen Finger zwischen die Flügel zu schieben, blieben sie fest an den Rippen liegen. Sein Fell fühlte sich rau und weich zugleich an, es war Babyfell. Seine Ohren waren schmal und liefen nach oben hin spitz zu, die winzigen, blitzsauberen Hufe glänzten, als wären sie aus schwarzem Glas. Es war das schönste Wesen, das Lark jemals gesehen hatte.
»Lark!« Das war Broh, der im Hof vor dem Stall auf sie wartete. »Lass sie allein, Lark. Komm jetzt ins Haus.«
Widerwillig, aber gehorsam schlüpfte Lark aus dem Stall. Tup hob den Kopf und sah ihr nach, aber er wimmerte nicht. Erleichtert und zugleich ein bisschen enttäuscht folgte sie ihrem Bruder über den Hof. Als sie auf dem Weg in die warme Küche an dem Rautenbaum vorbeikamen, bemerkte sie, dass die Blätter kurz davor waren, sich zu öffnen. Wann war das bloß geschehen? Um sie herum er
wachte der Frühling, und sie war so abgelenkt gewesen, dass sie es kaum bemerkt hatte.
Als sie in die Küche traten, war Nikh gerade dabei, mit einem Wäschestößel in einer Schüssel mit kochendem Wasser ihre abgetragenen Röcke zu waschen. In einer Ecke war der Paravent aufgestellt, den die Hammlohs seit Generationen zum Baden verwendeten. Die Bilder auf den drei Panelen waren abgegriffen und kaum noch zu erkennen. Nikh blickte auf und deutete mit dem Kopf zu der Ecke hinüber. »Die Badewanne steht bereit«, sagte er. »Am besten holst du dir saubere Kleidung und setzt dich hinein.« Er ging zum Waschbecken und hängte den Stößel wieder an den Haken. »Und vergiss nicht, dir die Haare zu waschen, Lark. Du siehst aus wie eine von deinen Ziegen.«
Sie eilte die schmale Stiege hinauf in ihr dunkles Zimmer. Ohne sich damit aufzuhalten, ein Licht zu entzünden, zog sie ein Wams und einen Rock aus der Truhe und hoffte, dass sie sauber waren. Sie fand in der Dunkelheit noch Wäsche und Strümpfe sowie Kamm und Bürste und trug den Haufen zurück in die Küche.
Ihre Brüder hatten sich um den Tisch herum versammelt. Nikh grinste sie an. Edmar nickte ihr stumm zu. Broh stellte lautstark Schüsseln und Löffel auf den Tisch und schnitt grobe Scheiben von einem Käserad.
»Ich beeil mich«, rief Lark.
»Wasch dich ordentlich«, befahl Broh, ohne aufzusehen.
Als Lark zufällig ihr unscharfes Spiegelbild an der Seite des Suppentopfes entdeckte, sah sie beschämt weg und stellte fest: »Bei Zitos Ohren, noch nie habe ich ein Bad so nötig gehabt.«
»Das kann man wohl sagen!«, stimmte Nikh lachend zu.
Lark verschwand hinter dem Paravent. »Gebt mir eine halbe Stunde, dann bin ich ein ganz neues Mädchen. Versprochen!«
Edmar und Broh kauten geschäftig Brot und Käse. Nikh sagte fröhlich: »Das ist gar nicht nötig. Wir mögen das alte eigentlich ganz gern.«
Lark schleuderte ihre dreckige Kleidung in die Ecke und tauchte in die Wanne. Sie lächelte, als sie nach dem neuen Stück Kaufmannsseife griff, das Nikh für sie bereitgelegt hatte. Zusammen würden Tup und Molly es schaffen. Eine glorreiche Zukunft lag vor ihr. In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, jede Schwierigkeit meistern zu können. Sie streckte sich aus, tauchte bis zur Nase in das
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