Schule der Lüfte wolkenreiter1
breiten Krempe auf. Tup schnupperte an Larks Schulter, und sie legte den Arm um seinen Hals, während sie zusah, wie Nikh und der Ochsenkarren zwischen den Hecken verschwanden.
»Heute Nacht, kleiner Tup, bekommst du Kraftfutter«, versprach sie. Dann drehte sie sich zum Haus um. Die Betten mussten gemacht, Geschirr abgewaschen und Suppe gekocht werden. Dennoch stand sie einen Moment ruhig da und betrachtete den gepflegten Innenhof und die Gebäude vom Unteren Hof. Die Morgensonne wärmte ihren Nacken, ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Frühling vor der Tür stand. Der Regen des Vortages hatte die Landschaft rein gewaschen. Tauben gurrten auf dem Dach des Stalls, und Amseln zwitscherten in der Hecke und dem Rautenbaum neben der Küchentür. Jeder Baum schien vor Leben zu strotzen, jeder Strauch, jede schlummernde Blumenzwiebel, jeder Samen. Larks Herz war leicht, als wäre es mit Luft gefüllt, und in ihrem Bauch machte sich ein merkwürdiges Gefühl breit. Sie hätte die Welt umarmen können und fühlte sich, als werde sie selbst gleich aufblühen.
Philippa stand früh auf und ließ sich eine Tasse Tee und eine Scheibe Toast mit Butter aus der Küche bringen, um keine Zeit durch ein Frühstück im Saal zu verlieren. Jetzt, im Frühling, war es um diese Stunde bereits hell, und von Süden her wehte ein leichter Wind. Ein wunderbarer Tag zum Fliegen.
Auf dem Weg zu den Stallungen zog sie die Handschuhe über. Die langbeinigen Jährlinge galoppierten über das vom Regen frische Grün und nickten ihr mit den Köpfen über den Zaun hinweg zu. Dann sausten sie auch schon wieder
mit wehenden Schweifen davon und klemmten die Flügel fest an die Seite, während sie galoppierten und ausschlugen. Philippa verlangsamte ihre Schritte und beobachtete sie eine Weile.
Es gab keinen entzückenderen Anblick im ganzen Fürstentum Oc als diese übermütigen Wesen. Sie waren weiß, schwarz, grau gescheckt, rot, golden und braun. Ihre Körper waren schlanker und ihre Glieder feiner als die ihrer flügellosen Artgenossen. Philippa verachtete jede Art von Aberglauben, doch jetzt, wo sie diese Jungtiere auf der Wiese strahlen sah, konnte sie verstehen, dass viele glaubten, sie stammten von den glanzvollen Alten ab. Natürlich war das Unsinn, niemand wusste das besser als sie. Jedes geflügelte Pferd war das Ergebnis sorgfältiger Zucht über mehrere Generationen hinweg, der genauen, beinahe besessenen Überwachung aller drei Blutlinien und der sorgfältigen Pflege von Ocs wertvollstem Gut.
Wintersonne, ihr eigenes Pferd, stammte von dem Geschlecht der Noblen ab, ein passender Name für diese Blutlinie. Noble waren geschickte, anmutige Pferde und wurden von Königshäusern als Kuriere und Begleiter geschätzt. Eine Eskorte von sieben Noblen war das Zeichen, dass der Prinz persönlich auf Reisen war. Auch auf Staatsbesuchen flogen sie ihm voran. Die Kämpfer wiederum waren groß und stark, sie wurden für den Kampf trainiert, als Grenzposten und an gefährdeten Außenposten eingesetzt. Zur Linie der Boten gehörten schlanke, lebhafte Tiere, die für ihre Ausdauer und Intelligenz bekannt waren. Boten brachten Nachrichten in die entlegensten Ecken des Fürstentums und sogar in andere Königreiche.
Der Gedanke an die Blutlinien erinnerte Philippa an ihren Auftrag, und sie beeilte sich, zu den Stallungen zu
kommen. Die Aufgabe, die ihr heute Morgen bevorstand, war denkbar schwer. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Fürst Friedrich so streng über die Blutlinien gewacht, dass ihm selbst der Rat der Edlen Respekt gezollt und er all denen, die mit den geflügelten Pferden arbeiteten, gehörig Angst eingeflößt hatte. Dieser Tage hingegen war es nicht einfach, überhaupt eine Audienz beim Fürsten zu bekommen, und das ging bereits seit acht Monaten so. Er war an dem Verlust seiner Tochter, seinem Lieblingskind, zerbrochen.
Als Philippa sich den Stallungen näherte, trat Herbert gerade heraus, und Beere, der Oc-Hund, trottete zu ihr, um sie zu begrüßen. Sie streichelte den schmalen, seidigen Kopf des Hundes. Beere setzte sich und sah sie hoffnungsvoll an. »Tut mir leid, Beere«, murmelte Philippa, »heute habe ich keine Zeit, um mit dir zu spielen.«
»Brauchen Sie Ihre Stute, Meisterin?«, fragte Herbert.
»Ja, bitte.« Sie rückte die Kappe auf dem Kopf zurecht und strich ihren Haarknoten glatt. Als Rosella mit Soni erschien, die für den Flug gesattelt war, zupfte Philippa an ihren Handschuhen. Selbst in dieser schwierigen
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