Schule der Lüfte wolkenreiter1
den Jährlingen vorbei, wo die geflügelten Fohlen an den Zaun preschten, als sie ihn vorbeireiten sahen, und dann neben ihm hertrabten. Als er den Hof erreicht hatte, zog er die Zügel scharf an. »Herbert!«, rief er. »Herbert? Bist du da oben?«
An dem Fenster des Stallknechts im Dachgeschoss wurden die Vorhänge beiseite gezogen, und einen Augenblick später polterte der kleine Mann die Treppe herunter. Ein Oc-Hund folgte ihm auf dem Fuß, und eines der Stallmädchen, eine untersetzte sommersprossige junge Frau, steckte den Kopf aus der Sattelkammer.
»Hoheit.« Herbert deutete eine Verbeugung an. »Wir haben Sie nicht erwartet.«
Wilhelm schwang sich aus dem Sattel und zog seine Weste glatt. »Ich will Krisp sprechen.«
»Der ist noch nicht hier, Hoheit.«
»Wo ist das neue Fohlen? Das aus dem Hochland.«
Bei diesen Worten zögerte Herbert und richtete den Blick mit leicht geöffnetem Mund hinter Wilhelm auf die Halle. Wilhelm fühlte, wie die kalte Wut in ihm aufwallte. »Diese Pferde hier gehören alle mir … meinem Vater, Herbert, und ich handle in seinem Auftrag. Wenn ich das Fohlen sehen möchte, brauche ich niemandes Erlaubnis.«
Herbert stand immer noch zweifelnd da. »Gut, Hoheit. Rosella führt Sie zu dem Stall.«
»Ich will Eduard Krisp sprechen, sobald er hier auftaucht.«
»Wir erwarten ihn jeden Augenblick, Hoheit.«
»Gut. Ich werde im Saal frühstücken, solange ich warte.« Wilhelm ließ die Gerte auf seinen Oberschenkel knallen. »Aber erst sehe ich mir das Fohlen an.«
Auf einen Wink von Herbert trat ein Stallmädchen in Stiefeln, einem warmen Wams und Rock aus der Dunkelheit. Sie senkte den Blick, als sie vor Wilhelm stand. Offensichtlich hatte sie schon von ihm gehört. Also gut. Ein bisschen Angst konnte heute ganz hilfreich sein. Vielleicht bestand ja irgendeine Verbindung zwischen dieser Rosella und Krisp. Er musste versuchen, das herauszufinden. Wenn dem so war, konnte es ihm nutzen. Sie war nicht besonders attraktiv, aber das musste nicht bedeuten, dass sich niemand für sie interessierte.
Er klemmte die Gerte unter den Arm und folgte ihr durch die Stallungen. Die geflügelten Pferde warfen die Köpfe hoch, als er an ihnen vorbeikam, und er wahrte umsichtig Abstand zu ihnen. Er wollte keine unnötigen Fragen aufkommen lassen.
Das Stallmädchen blieb neben einer bescheidenen Stallbox stehen. Sie mied immer noch seinen Blick und murmelte: »Das ist es, Hoheit. Das Fohlen aus dem Hochland.«
Wilhelm machte einen kleinen Schritt nach vorn, gerade so, dass er in den Stall sehen konnte, ohne so dicht an das Fohlen heranzukommen, dass das Stallmädchen misstrauisch wurde. Das Fohlen hob den Kopf und blickte ihn aus großen, intelligenten Augen an.
Sein Brustkorb bildete sich langsam aus, die Muskeln der Flügel zeichneten sich bereits auf seiner Brust ab. Seine Kruppe war flach, der Rücken kurz, die Beine makellos und zierlich. Es war enttäuschend klein, sein Kopf reichte kaum bis an Wilhelms Schulter heran.
Freilich war auch Königin Maus klein gewesen, eine hässliche Stute. Sie war eine dieser Ocmarin-Raritäten, die ohne erkennbaren Grund ohne Flügel geboren wurden. Doch der Hengst, der sie gedeckt hatte, war groß gewesen und dafür bekannt, Fohlen zu zeugen, die früh reif waren. Dennoch war dieses Fohlen sein erster geflügelter Nachkomme. Und es erlaubte Wilhelm, sich ihm weiter zu nähern, als jedes andere geflügelte Pferd zuvor. O ja, Isamar würde an diesem Fohlen hier sehr interessiert sein!
Er trat noch einen Schritt näher. Da bewegte sich in dem Stall etwas, und ein kleiner brauner Kopf mit hängenden Schlappohren und einem zotteligen Bärtchen erschien über dem Tor. Das Wesen schien ihn misstrauisch zu beäugen.
»In Kallas Namen! Was macht dieses Ding denn hier?«, fauchte er.
»Das ist eine Ziege, Hoheit«, erklärte Rosella überflüssigerweise.
»Ich weiß, dass das eine Ziege ist! Ich habe ja schließlich Augen im Kopf, Mädchen! Aber was hat sie im Stall des Fohlens zu schaffen?«
»Die Ziege hat es gesäugt und ihm Gesellschaft geleistet. Die junge Dame wollte sie nicht zurücklassen.«
»Die junge Dame.«
»Ja, Herr.« Zum ersten Mal zuckte Rosellas Blick kurz zu ihm, dann sah sie schnell wieder weg.
Wilhelm hielt die Gerte in seiner Hand fest umklammert und zügelte sein Temperament. »Und um was für eine ›junge Dame‹ handelt es sich da denn wohl?«, fragte er, wohl wissend, dass sich dieser täuschend seidige Ton in seine Stimme
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