Schule der Lüfte wolkenreiter1
Rat der Edlen hatte, weil er den Bericht über die Geburt des geflügelten Fohlens so spät geschickt hatte, und seine Aufgaben deshalb nun mit wesentlich mehr Einsatz erledigte. Broh hatte das Paket mit finsterer Miene angenommen und Mickelwitt sehr zu dessen Enttäuschung gleich wieder weggeschickt. Natürlich war das Paket an Lark adressiert gewesen. Genauer: An Fräulein Larkyn Hammloh, Unterer Hof, Willakhiep, Hochland. Es enthielt ein Halfter aus feinem Leder mit winzigen Eisenschnallen und eine geflochtene Longe sowie ein Paar glänzender, aufwendiger Flügelhalter.
Das Halfter hatte Tup jetzt um, und als sie losfuhren, hielt Lark die Longe in der Hand. Sie hatte lange gerätselt,
jedoch nicht herausfinden können, wie man die Flügelhalter richtig befestigte, was allerdings keine große Rolle spielte, weil Tup seine Flügel ohnehin fest gegen die Rippen presste. Molly hatte sich dicht an seine Flanke gedrückt, als fürchtete sie, zurückgelassen zu werden.
Edmar stand am Tor und sah mit seinem ramponierten Hut in den Händen zu Lark hoch. »Vergiss deine Familie nicht«, sagte er.
»Nein, Edmar.«
Er nickte, als wäre alles gesagt, was es zu sagen gab, und ging den Weg hinunter in Richtung Steinbruch.
»Edmar ist heute Morgen aber gesprächig!«, meinte Nikh. »Doch er hat Recht, vergiss nicht, wer du bist.«
»Danke, Nikh. Das werde ich nicht.«
»Also, dann.« Er räusperte sich.
»Am besten gehst du jetzt«, knurrte Broh.
»Richtig. Viel Glück, kleine Schwester!«
Lark hob die Hand, unfähig zu sprechen. Sie warf einen letzten, langen Blick auf das Wohnhaus, die Mauer aus schwarzen Steinen vor dem Küchengarten und die Scheune. Broh wedelte mit der Gerte über dem Kopf des Ochsen, und der Karren knarrte den Weg entlang. Nikh stand winkend am Tor, als die seltsame Truppe sich hinaus auf die Straße bewegte, Tup an der Longe mit Molly neben sich. Der Ochse schenkte Fohlen und Ziege keinerlei Aufmerksamkeit, sondern trottete in seinem üblichen Rhythmus dahin, als mache die ungewohnte Leichtigkeit des Karrens keinen Unterschied für ihn.
Lark drehte sich auf dem Sitz um, damit sie ihr Zuhause sehen konnte, bis es hinter einer Biegung verschwand. Als sie wieder nach vorn sah, faltete sie die Hände in ihrem Schoß. Sie fragte sich, ob auch Mädchen, die heirateten,
das Gefühl hatten, dass sich für immer eine Tür hinter ihnen schlösse. Sie vermutete zwar, dass sie wieder nach Hause zurückkehren könnte, doch sie fürchtete, dass sie dann nicht mehr dieselbe wäre.
»Broh?«, sagte sie.
»Ja.«
»Ihr werdet doch nichts verändern, oder? Nicht am Unteren Hof, dem Haus, der Scheune …«
»In drei Jahrhunderten hat sich daran nichts verändert, Lark.«
Sie schüttelte sich und holte tief Luft. »Nein. Und das ist auch das Beste daran.«
Kapitel 10
W ilhelm trieb sein Pferd auf dem Weg zur Akademie kräftig an, rammte ihm die Sporen in die Flanke, wenn es langsamer wurde, und galoppierte an den wenigen anderen Passanten vorbei, die so früh morgens bereits unterwegs waren. Kutscher von Ochsenkarren, die offensichtlich nicht wussten, wen sie da verfluchten, drohten ihm mit erhobenen Fäusten. Eine Schweineherde stob vor den stampfenden Hufen des Wallachs auseinander, doch Wilhelm beachtete all das nicht weiter. Slathan hatte ihm die Neuigkeit heute Morgen auf dem Frühstückstablett serviert. Er war daraufhin aus dem Bett gesprungen, hatte Kaffee und Toast ignoriert, sich in die Kleidung vom Vorabend geworfen und war die Treppen hinunter und hinaus zu den Ställen geeilt. Er musste diesen verrückten Krisp aufhalten. Es blieb keine Zeit, so zu tun, als wolle er sich zuvor mit seinem Vater beraten. Er musste seine Entscheidung treffen und die Konsequenzen tragen. Bedauerlicherweise war Krisp schwer zu beeinflussen. Wilhelm würde sich etwas einfallen lassen müssen.
»Drei Tage!«, schimpfte Wilhelm leise vor sich hin und riss vor lauter Enttäuschung an den Zügeln. Einer würde dafür bezahlen müssen, dass man versäumt hatte, ihn zu informieren. Noch ein Tag später, und es wäre bereits geschehen. Doch über dieses Problem würde er später nachdenken.
Nach zwanzig Minuten scharfem Galopp erreichte er das
Tor der Akademie, wo er das Tempo drosselte, um den Wallach abzukühlen und zu verbergen, wie eilig er hergekommen war. Die Hitze des Sommers ließ noch auf sich warten, und die Felder der Akademie lagen grün und friedlich unter dem leichten Morgennebel. Wilhelm ritt an der Weide mit
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