Schule der Lüfte wolkenreiter1
die Hand auf den Türknauf gelegt und zögerte. »Es würde mich überraschen, Philippa, wenn Larkyn Hammloh schon einmal ohnmächtig geworden wäre. Oder überhaupt dazu fähig wäre.«
Sie fanden Larkyn in Tups Stallbox, wo sie über das Gatter hinweg den Arzt und seine Sammlung erschreckend aussehender Gerätschaften anstarrte. Neben ihr stand Rosella mit einer Schale und einem Stapel sauberer Tücher bereit. Über der Schulter trug sie ein aufgerolltes Seil. Alarmiert durch die Nähe des Arztes und des Zuchtmeisters, reckte das Fohlen den Kopf hoch in die Luft. Der Arzt war ein dürrer Mann mit grauen Haaren und dreckigen Fingernägeln. Philippa biss bei seinem Anblick die Zähne zusammen.
Krisp weigerte sich standhaft, einer Frau beizubringen, wie eine Kastration durchzuführen war. Und er war längst nicht der Einzige, der Frauen ungeeignet für eine derart blutige Arbeit hielt. Doch nun stand die junge Larkyn neben ihm und legte beruhigend eine Hand auf den Hals des Fohlens. Krisp musterte sie, als solle sie sich jeden Moment aus dem Staub machen.
Sie ist wie eine zähe kleine Stute, dachte Philippa, die sich mutig zeigt, weil sie es sein muss. Wenigstens sah sie in der Uniform der Akademie schon deutlich besser aus und hatte offenbar versucht, sich das ungebärdige Haar zurückzubinden. Ihre ländlichen Wurzeln kamen nur noch zum Vorschein, wenn sie sprach, doch jetzt schwieg sie.
Tage wie dieser waren nie sonderlich erfreulich. Die Nähe der Männer versetzte die Fohlen geradezu in Hysterie. Sie mussten gefesselt und von jedem verfügbaren Helfer festgehalten werden. Die Mädchen führten sich fast ausnahmslos ebenso hysterisch auf, versteckten sich im Schlafsaal, schluchzten und hielten sich die Ohren zu, um die verzweifelten Schreie ihrer Fohlen nicht zu hören. Alle Lehrerinnen fürchteten diese Kastrationen und waren sehr erleichtert, wenn sie endlich vorbei waren.
Die Mädchen, die ihre Pferde am Morgen aus den Ställen geholt hatten, waren ruhig und bedrückt gewesen. Offenbar hatte sich die Angelegenheit bereits herumgesprochen, und jede wollte anscheinend möglichst weit weg vom Ort des grausamen Geschehens sein. Philippa sah, dass Rosella den hellbraunen Wallach und den Fuchs vor die Ställe gebracht hatte, weg von den fremdartigen Gerüchen, die Herbert und Eduard Krisp absonderten. Philippa trat näher an Tups Box heran. Die braune Ziege hatte sich zwischen das Fohlen und die gegenüberliegende Wand gequetscht,
so weit weg von den Menschen, wie sie nur konnte. Ihr kleines Bärtchen zitterte wie Espenlaub.
Philippa bemühte sich, freundlich zu klingen. »Vielleicht gehen Sie besser in den Schlafsaal, Larkyn.«
Das Mädchen ließ Krisp nicht aus den Augen. »Tup braucht mich«, erklärte sie.
Eduard fluchte leise vor sich hin, als er den Namen hörte, was ihm einen gereizten Blick von Philippa einbrachte. »Hüten Sie Ihre Zunge, Eduard. Sie haben ihr keinen anderen Namen gegeben, bei dem sie es rufen könnte!«, zischte sie.
Er öffnete den Mund, doch ihm kam kein Wort über die Lippen. Jemand hatte den Stall betreten, und Krisp rappelte sich hastig auf, um sich anschließend tief vor ihm zu verbeugen. Überrascht von Krisps Verhalten und aus antrainierter Vorsicht, schwieg Philippa ebenfalls. Nur Margret besaß genug Geistesgegenwart, den fürstlichen Besucher zu begrüßen.
»Prinz Wilhelm.« Sie neigte den Kopf. »Man hat uns nicht über Ihren Besuch unterrichtet.«
Wilhelm deutete eine knappe Verbeugung an. »Man war immerhin so freundlich, mir in Gesellschaft Ihrer reizenden Schülerinnen ein Frühstück im Speisesaal zu servieren, Leiterin.« Sein Blick glitt über Philippa und Rosella und landete schließlich bei dem Zuchtmeister. »Krisp.«
Der Zuchtmeister trat dichter an den Stall heran, was dazu führte, dass das Fohlen die Ohren anlegte und zurückschreckte; die kleine Ziege wurde noch dichter gegen die Wand gedrängt. »Das ist das Fohlen aus dem Hochland, Hoheit«, sagte er, während er auf Tup deutete. »Wir kastrieren es heute.«
»Ein bisschen früh, finden Sie nicht, Krisp?«, erkundigte
sich Wilhelm beiläufig, zupfte die weiten Ärmel seines Hemdes glatt und zog seine bestickte Weste zurecht. »Be vor wir überhaupt wissen, wer sein Erzeuger ist?«
Krisps fleischige Wangen bebten vor Empörung. »Sie sehen doch selbst, Hoheit, dass das Fohlen nicht reinrassig ist. Soweit wir wissen, dürfte es sich um einen Rückfall handeln.«
»Unsinn«, widersprach Wilhelm.
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