Schule der Lüfte wolkenreiter1
eine bissige Kälte in ihre Haut, und auf den Gipfeln der Oc-Marine im Norden glitzerte schon der erste Schnee. Die letzten Farbflecken inmitten der braunen Erde waren die Koppeln der Akademie, deren Gras durch sorgfältiges Wässern smaragdgrün leuchtete.
Philippa drückte Rosella Sonis Zügel in die Hand und ging langsam auf die Halle zu. Die Sorge um ihren alten Freund lastete schwer auf ihr. Friedrich hatte sich kaum erheben können, um sie zu begrüßen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und die Haut seiner schmalen Wangen schien sich fast von den Knochen zu lösen, als wäre nicht mehr genügend Fleisch darunter, um sie zu halten. Andres hatte ihr anvertraut, dass der Fürst kaum noch aß und stundenlang aus dem Fenster starrte. In der Vergangenheit hatte er seine geflügelten Pferde beobachtet. Jetzt dagegen schien er nach der Tochter Ausschau zu halten, die niemals zurückkehren würde. Wilhelm war nicht da gewesen. Es war ein schlechtes Zeichen, dass er es nicht mehr für notwendig hielt, dabei zu sein, wenn Friedrich sich mit Gästen unterhielt.
Philippa näherte sich den Stufen der Halle, als Margret herauskam und ihr die Treppe hinunter entgegenging. Schülerinnen eilten über den Hof, offenbar unterwegs, um vor dem Abendessen noch schnell einige Aufgaben zu erledigen. Einige hielten kurz inne und nickten der Leiterin zu. Margret erwiderte den Gruß mit einem Lächeln, wandte sich dann jedoch an Philippa.
»Hast du ihn gesehen?«, fragte sie ruhig. »Hast du mit ihm gesprochen?«
»Ich habe es versucht«, erklärte Philippa. Sie sah sich um, um sich zu überzeugen, dass ihnen niemand zuhörte. »Er stirbt, Margret. Ich bezweifle, dass er irgendetwas von dem, was ich gesagt habe, wirklich wahrgenommen hat.«
»Also wird Wilhelm den Kampf gegen Eduard Krisp gewinnen. Der kleine Schwarze wird nicht kastriert werden.«
Sie hatten die Treppe erreicht und stiegen die Stufen hinauf. Philippa sah Margret von der Seite an. »Wir müssen aufhören, ihn so zu nennen, Margret. Er braucht einen Namen.«
Als sie die Eingangshalle durchquerten, nahm Philippa ihre Reitmütze ab und strich sich die Haare glatt. Margret beauftragte eine Magd, Tee in ihrem Büro zu servieren. Sie hatten sich kaum hingesetzt, da begann Philippa auch schon zu erzählen. »Selbst in meiner Jugend hat Friedrich immer einsam gewirkt. Frans war in der Schule und Wilhelm …« Sie zuckte mit den Schultern. »Wilhelm war bereits als Kind eine Last für den Vater. Als Pamella dann spät in Friedrichs Leben gekommen ist, hat er sie natürlich vergöttert.« Sie seufzte und rieb sich die Augen. »Ich fürchte, dass der Verfall seines Vaters Wilhelm sehr gelegen kommt.«
»Der Tag, an dem Friedrich stirbt, wird ein schwarzer Tag für uns«, unkte Margret düster.
»Ganz bestimmt. Wilhelm wird vieles verändern, und ich bezweifle stark, dass diese Veränderungen zu unseren Gunsten sein werden.«
Bevor Margret antworten konnte, klopfte es. Auf Margrets Geheiß hin erschien eine Magd in der Tür. »Eines der Mädchen möchte Sie sprechen, Leiterin.«
»Schön«, erwiderte Margret. »Schick sie herein.« Die Magd knickste und verschwand. Einen Augenblick später stand eine Schülerin unsicher im Eingang.
»Was … Larkyn!«, stieß Margret hervor.
»Bei Kallas Zähnen, was haben Sie denn angestellt?«, rief auch Philippa.
Larkyn trat zögernd in den Raum. »Es war … es war eine Idee von Baronin Beeht.«
Philippa sprang förmlich von ihrem Stuhl auf. »Seit wann bestimmt Baronin Beeht, was an der Akademie getragen wird?«
Larkyns Wangen waren bereits gerötet, aber jetzt verdunkelte sich das Rot noch. Beinahe widerwillig hob sie die Hand und berührte ihre Haare.
Margret stand auf und trat um ihren Schreibtisch herum. Vor Larkyn blieb sie stehen, fasste ihr Kinn und drehte ihren Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung. »Hmm«, meinte sie nachdenklich. »Wenigstens wird es wieder wachsen, nehme ich an.«
»Sie werden aber niemals so wachsen wie Ihre, Leiterin! Mein Haar ist ein schrecklicher Lockenhaufen, und Petra … ich meine, meine Tutorin schimpft mich deshalb immer aus. Wir konnten in ganz Oscham nichts finden, das sie bändigt, und so … Baronin Beeht hat wirklich alles
versucht, und dann haben wir aufgegeben, und sie hat den Vorschlag gemacht und …«
»Eigentlich gefällt es mir«, schnitt Margret ihre Erklärungen ab. »Es sieht hübsch und ordentlich aus und erspart Ihnen vermutlich einen stundenlangen
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