Schule der Magier - Astaroths Angriff - Neff, H: Schule der Magier - Astaroths Angriff - The Tapestry Trilogy 2 - The Second Siege
dem nestähnlichen Hügel aus Seil einen spielerischen Tritt.
David lächelte und tippte mit dem Finger auf das Buch. »Ich brüte tatsächlich etwas aus.«
Max ließ sich neben David fallen und versuchte, auf die aufgeschlagene Seite zu spähen, aber David bedeckte sie, als zwei Seeleute zigarettenrauchend vorbeischlenderten.
David erwiderte ihr grüßendes Winken, begann aber erst zu reden, als sie außer Hörweite waren.
»Der eine spricht Englisch«, flüsterte er und deutete mit dem Kopf auf einen hageren, rotbärtigen Mann. »Ich weiß nicht, warum er versucht, es zu verbergen. Ich habe ihn ertappt, wie er uns nachspionierte, und gestern Abend ist er während des Essens hinausgeschlüpft, um nach dem Funkgerät zu sehen.«
»Aber das Funkgerät empfängt nicht mehr«, erwiderte Max stirnrunzelnd. »Was könnte er da gehört haben?«
»Ich glaube nicht, dass er es benutzt, um etwas zu hören«, sagte David mit einem Seitenblick. »Ich denke, er versucht zu senden – um jemandem eine Nachricht zu schicken …«
Max schaute zu dem Mann hinüber, der sich gerade über die Reling beugte. Er bereute es sofort, als ein Paar kleiner grüner Augen in seine Richtung blickte. Der Mann schnippte seine Zigarette über Bord und spazierte in Richtung Bug davon.
»Hast du es Cooper erzählt?«, fragte Max.
»Noch nicht«, antwortete David. »Ich wollte herausfinden, was er treibt, und ich will nicht, dass Cooper seinen Verdacht erregt. Wie dem auch sei, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, dass er das Funkgerät benutzen und jemandem einen Hinweis geben könnte.«
Der blonde Junge lächelte und holte eine Handvoll roter und gelber Drähte aus seiner Tasche. Mit einem zufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht legte er das Drahtwirrwarr auf das Nest aus Seilen.
»Das ist großartig«, sagte Max, »aber was ist, wenn wir das Funkgerät benutzen müssen? Es hörte sich so an, als sähe es in Europa ziemlich schlimm aus, und Cooper wird so viele Informationen wie möglich haben wollen.«
»Ich denke, wir können auch auf andere Weise an Informationen
herankommen«, erwiderte David und tippte abermals auf das Buch.
Das Schiff gierte über einen Wellenkamm, sodass sich Max abstützen musste, bevor er auf den mit inzwischen abblätterndem Blattgold ausgelegten, handgeschriebenen Titel des Buches blickte.
KODEX DER BESCHWÖRUNGEN
BAND XI: GEFÄHRLICHE GEISTER
NEU HERAUSGEGEBEN UND ÜBERSETZT
VON MAGDALENA KOLB, 1901
»Der Titel hört sich gefährlich an«, murmelte Max argwöhnisch.
»Ich habe schon früher gefährliche Bücher benutzt«, erwiderte sein Zimmergenosse achselzuckend. »Außerdem ist dieses hier sehr wertvoll.«
»Was steht denn drin?«, erkundigte Max und betrachtete die bizarren Symbole und schauerlichen Zeichnungen, die kurz aufblitzten, als David die cremefarbenen Seiten hastig durchblätterte.
»Beschwörungen«, flüsterte David, bevor er seinen Blick über das Deck wandern ließ. »Mächtige Zauber, um gewisse Geister herbeizurufen.«
»Gnome und dergleichen?«, fragte Max naserümpfend. »Ich dachte, du würdest Mr Sikes nicht mögen.«
David schüttelte ungeduldig den Kopf und schaute noch einmal zum Bug hinüber. »Nein, nichts wie Mr Sikes. Jeder Magier kann ihn rufen, wenn er die richtige Beschwörung hat. Diese Zauber sind für andere Dinge gedacht. Uralte Dinge. Dinge wie …«
»Astaroth?«, platzte Max heraus, lauter, als er beabsichtigt hatte.
David nickte und legte einen Finger auf die Lippen. Er schlug in dem Buch eine Seite mit einem exquisiten Stich auf, dessen zentrale Gestalt ein Mann mit einem hübschen, schläfrigen Gesicht war, das von dunklem gelocktem Haar umrahmt wurde. Der Mann saß auf einem erhöhten Thron und wirkte erheitert, während er einer langen Reihe von Bittstellern lauschte – Königen und bärtigen Gelehrten, die Wagen voller astronomischer Ausrüstungsgegenstände und alchemistischer Gerätschaften hinter sich her zogen. Astaroths Gesicht wirkte beträchtlich jünger als das Antlitz, das Max aus dem Rembrandtgemälde heraus beobachtet hatte. Auf den zweiten Blick erkannte Max jedoch, dass die Augen eine unheimliche Ähnlichkeit aufwiesen. Max würde die unergründlichen schwarzen Augen, die ihn aus dem vergoldeten Rahmen angeblinzelt hatten, nie vergessen: Sie waren alterslos gewesen und verstörend nichtmenschlich. Max riss den Blick von dem Stich los und las den in säuberlicher Schrift geschriebenen Text auf der gegenüberliegenden Seite.
Von allen
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