Schule für höhere Töchter
abgeholt worden«, sagte Reed. »Ich wollte mich gerade auf die Suche nach dir machen. Hi.« Das galt Julia, die er kannte. »Ich glaube, ich habe so etwas wie eine Information für eure leitende Dame.«
»Willst du jetzt mir ihr sprechen?« fragte Julia.
»Kann man hier irgendwo einen Kaffee bekommen?« fragte Reed.
»Im Lehrerzimmer steht immer eine Kanne. Da die Schule geschlossen ist, könnte es dort sogar einigermaßen leer sein.«
Es war charakteristisch für das Theban, daß, wie groß der Platzbedarf für die zunehmende Schülerzahl auch sein mochte, dieser Aufenthaltsraum, der schließlich keinem praktischen schulischen Zweck diente, immer erhalten geblieben war. Es war ein besonders gemütlicher Raum voller ziemlich abgewetzter Sessel und mit einer Kaffeemaschine, in der mit angenehmem Duft der versprochene Kaffee blubberte. Dieser Raum war den Lehrern vorbehalten und wurde niemals und unter gar keinen Umständen für andere Zwecke benutzt; dadurch trug er erheblich zur allgemeinen Stimmung der Lehrer bei. Im Theban ging das Gerücht, daß die Einstellung zu diesem Raum einen maßgebenden Einfluß hatte, wenn das Treuhändergremium eine neue Direktorin wählte. Jede, die den Raum für unpraktisch hielt (was er auch war) oder der Meinung war, er sollte besser für Klassenräume genutzt werden (was nur geringe Umbaukosten verursacht hätte) oder ihn für ein snobistisches Relikt hielt, so als wäre das Theban ein englisches College, stellte sich von vornherein als geeignete Kandidatin in Frage. Derartige Überlegungen wurden der Art von Menschen zugeschrieben, die dafür waren, in Parks Häuser zu bauen und Hot-Dog-Buden in den Wäldern. Aber was nützt diese gute Stimmung in einer Schule, die wegen eines besonders schrecklichen Todesfalls geschlossen ist, überlegte Kate. Eltern sind für eine Schule immer ein Problem, gewiß, aber es wird nicht erwartet, daß Schulen das Problem lösen, indem sie schwierige Eltern von bösartigen Hunden zerreißen oder zumindest erschrecken läßt.
»Es ist nett hier«, sagte Reed. »Mir gefällt eure Schule, und ich hoffe, daß sie durch diese Geschichte keinen allzu großen Schaden erleidet.«
»Wir wollten dich fragen«, sagte Julia und schenkte Kaffee ein, »ob die Möglichkeit besteht, daß die Leiche heute morgen hierher gebracht wurde, nachdem die Hunde wieder oben in ihrem Zwinger waren. Diese Meinung vertritt Mr. O’Hara, aber dem geht es auch um seine Hunde.«
»Das muß es auch«, sagte Reed, lehnte sich zufrieden in einem tiefen Sessel zurück und streckte die Beine von sich. »Übrigens, ich würde gern hinaufgehen und sie mir ansehen, aber erst wenn man mich auf meine höfliche Bitte hin eingeladen hat. Ich bin nicht offiziell hier.«
»Kanntest du diese Kriminalbeamten?« fragte Julia.
»O ja. Man kennt sich einfach, weißt du. Und deshalb habe ich gedacht, ich sollte auch einmal vorbeischauen. Außerdem sah Kate ziemlich erschöpft aus, und ich wollte nicht, daß sie in einer Ecke ohnmächtig wird und diese unglücklichen Hunde sie finden; das würden die nämlich nicht überleben.«
Kate grinste ihn an. Die Nachricht hatte sie morgens wirklich mehr mitgenommen, als sie je für möglich gehalten hätte. Sie hing sehr am Theban, wie das eben bei einer Schule der Fall ist, in der man glücklich war. Aber darüber hinaus wußte sie um die gefahrvolle Gratwanderung, die alle privaten Schulen und Colleges zwischen finanziellem und pädagogischem Bankrott machten.
Der Gedanke, daß das Theban dem Schicksal der Familie Jablon zum Opfer fallen sollte, gefiel ihr ganz und gar nicht.
Miss Tyringham hatte um sieben angerufen, nicht gerade eine nachtschlafende Zeit für jemanden, der einer Schule vorsteht, die um Viertel nach acht ihr Pforten öffnet; aber für Kate, eine Langschläferin, schien das Telefon mitten in der Nacht zu klingeln. Sie nahm ab, da Reed gerade unter der Dusche war (Tallulah Bankhead hatte auf die Frage, warum sie nie geheiratet habe, geantwortet, alle Männer stünden früh auf und duschten. Kate fand das bei ihrer Heirat überraschenderweise bestätigt, obgleich es Reed wütend machte, wenn man von ihm als von »allen Männern« sprach) und hörte, es gäbe eine Krise. Tatsächlich gab es eine Leiche.
»Mr. O’Hara hat sie heute früh entdeckt, als er herunterkam«, erklärte Miss Tyringham am Telefon. »Keine Ahnung, wie sie dorthin gekommen oder ob sie dort gestorben ist. Vielleicht kann Ihr gescheiter Mann mit all seiner
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