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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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das Geräusch ihrer Krallen auf dem Boden, als sie, wie er annahm, vom Treppenhaus ausgehend und mit gespitzten Ohren begannen, systematisch alle Räume der Etage abzusuchen.
    Er hörte sie kommen, weil er angestrengt lauschte. Er hörte ihre Pfoten und ihr Hecheln, aber sie hatten seine Gegenwart fast früher registriert. Er hing in der entgegengesetzten Ecke des Raumes in der Luft, aber sie bemerkten ihn sofort. Aus ihren Kehlen erklang ein Knurren, sie zogen die Lefzen hoch und fletschten die Zähne. Ja, dachte Reed, das kann jeden zu Tode erschrecken, in jedem Fall reicht es, um einen jungen Mann zu ängstigen, daß er zurückweicht, stolpert und sich den Kopf aufschlägt; aber werden sie mich unbeschadet herunterkommen lassen?
    Sie sprangen nicht hoch und schnappten auch nicht nach ihm. Sie standen da und beobachteten ihn. Langsam befreite er seine Füße und schwang sich zurück zur Sprossenwand. Ihr Knurren wurde lauter, als er herunterstieg, aber sie rührten sich nicht von der Stelle. »Die schnappen nicht nach Ihren Beinen«, hatte O’Hara gesagt. »Wenn Sie nicht irgendwas Verrücktes probieren, kommen die Ihnen nicht zu nahe. Aber sie sind darauf abgerichtet, nach einer Hand zu springen, die eine Waffe hält« (deswegen die Jacke für den Fall, daß die Hunde eine Waffe vermuten, wo keine ist); »falls Sie die Hunde angreifen, werden die Sie mit ihrem ganzen Gewicht anspringen und zu Boden werfen. Aber nur, wenn Sie auf sie zugehen.«
    Lily und Rose sind zwei besonders unpassende Namen, dachte Reed. Er behielt sie mißtrauisch im Auge, während er langsam hinunterkletterte. Das Knurren wurde intensiver, die Zähne wirkten noch bedrohlicher, aber die Tiere rührten sich nicht von der Stelle. »Drehen Sie den Rücken zur Wand und bleiben Sie ruhig stehen, bis ich komme«, hatte O’Hara gesagt. Reed spielte mit dem Gedanken, sich eine Zigarette anzuzünden, gab ihn aber wieder auf. Seine Nerven würde es beruhigen, aber was wäre mit den Nerven von Lily und Rose? Das Risiko wollte er nicht eingehen. Außerdem schienen ihm die Bewegungen, die nötig wären, um unter der gepolsterten Jacke Zigaretten und Feuerzeug hervorzuholen, kaum geeignet, Vertrauen zu erwecken. Ohne den Kopf zu drehen, sah Reed zur Turnhallenuhr hinauf. In diesem Augenblick erschien O’Hara in der Tür.
    »In Ordnung, meine Schönen«, sagte er. Dann ging er auf sie zu und hakte kurze, kräftige Leinen an den Halsbändern der Hunde fest. »Was ein Glück, daß Sie sich so weit oben im Haus versteckt haben«, sagte er zu Reed.
    »Viel länger warten zu müssen, hätte ich kaum ausgehalten.«
    »Ich auch nicht«, gab Reed zu. »O.k. kann ich die Jacke jetzt ausziehen?«
    O’Hara nickte. »Überzeugt?« fragte er.
    »Oh ja«, sagte Reed, »eine sehr lobenswerte Darbietung. Ich empfehle sie jedem, der rasch abnehmen möchte.«
    »Sie hatten also Angst?« fragte O’Hara.
    »Allerdings«, sagte Reed. »Todesangst, um diesen abgenutzten Begriff zu gebrauchen.« Dann griff er nach einer Zigarette, zündete sie an und brach wahrscheinlich damit eines der eisernsten Gesetze der Schule. Aber das Recht hatte er sich verdient.
    »Könnten Sie diese charmanten Damen noch ein wenig festhalten«, fragte Reed, »während ich mich unten noch umsehe? Ich suche da etwas.«
    »Wie lange brauchen Sie?« fragte O’Hara widerwillig. Er wußte, er verdankte Reed viel, weil er beides demonstriert hatte: daß die Hunde Mrs. Jablon nicht zu Tode erschreckt und dann liegengelassen hatten und daß sie nicht bösartig jeden angriffen, den sie fanden – eine häßliche Unterstellung, die mehr als einmal ausgesprochen worden war, seit die Existenz der Hunde allgemein bekannt war. Dennoch wollte er nicht in die Routine der Hunde eingreifen. »Ich bringe sie aufs Dach zurück. Rufen Sie mich von der Telefonzentrale im Erdgeschoß aus an, bevor Sie gehen; danach gebe ich Ihnen noch zehn Minuten.«
    »In Ordnung. Darf ich Ihre Geduld noch einen Augenblick in Anspruch nehmen? An dem Abend, als Mrs. Jablon hier gefunden wurde…«
    »Dem Abend vor dem Morgen, an dem sie hier gefunden wurde.«
    »Richtig. Am Abend der Elternversammlung. Sie haben die Eltern in einem der Aufzüge nach oben gebracht. War der andere Aufzug im Dachgeschoß?«
    »Ja. Ich habe Ihnen doch schon erzählt…«
    »Nicht so ungeduldig. Könnte nicht jemand ohne Ihr Wissen den zweiten Aufzug geholt haben?«
    »Unmöglich.«
    »Warum?«
    »Der war oben an der Aula, höher fahren die Aufzüge nicht.

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