Schule für höhere Töchter
heißt einige von uns, haben das ausprobiert. Man schlägt auf eine Matratze ein, die ja weich ist und Schläge ignoriert, und stellt sich vor, es sei jemand, auf den man eine Wut hat. Auf diese Weise agiert man die feindseligen Gefühle aus und erkennt sogar manche, die man vorher nicht wahrhaben wollte, was immer nützlich ist. Meinen Sie, es sollte überhaupt keinen Sittenkodex im sexuellen Bereich geben?«
»Moment mal. Woher wißt Ihr das über Esalen – ist eine von euch dort gewesen?«
»Man kann darüber nachlesen.«
»Ich finde, eine Frau sollte Jungfrau sein, wenn sie heiratet, weil ihr Juwel ihr kostbarster Besitz ist, und sonst kann sie ja bei ihrer Hochzeit nicht weiß tragen, wenn sie erst dem einen Mann und dann einem anderen gehört hat. So habt Ihr das bei Mrs. Banister gelernt, stimmt’s?«
»Wenn Sie es schon wissen, warum fragen Sie mich dann?« sagte Betsy und klang plötzlich wie ein quengelndes Kind, was den ganzen Nachmittag nicht der Fall gewesen war.
»Bis vor ein paar Minuten hatte ich keine Ahnung. Das scheint eine verdammt gute Idee zu sein – ich meine die Sache mit der Matratze. Warum macht ihr so ein Geheimnis daraus?«
»Nun, es ist schließlich nicht gerade das, was sich das Theban unter ›Schauspielgruppe‹ vorgestellt hat. Wir sprechen auch mit Kissen, als wären sie unser anderes Ich, mit dem wir uns auseinandersetzen, oder jemand, der – die Leute haben sich oft über unsere Encountergruppen lustig gemacht, aber sie haben nie wirklich gedacht…«
»Ja?«
»Also, manchmal hatten wir nach der Schule eine Sitzung und Mrs. Banister war nicht sicher, obwohl sie es nie gesagt hat oder vielmehr, wir waren eben nicht sicher…«
»Ob die Schule das offiziell gutheißt.«
»Genau. Aber sie hat uns wirklich sehr geholfen. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr.«
»Ich glaube doch. Ich habe Mr. Jablon gerade heute gesagt, daß das, was man tun will, wichtiger ist als das, was man tun sollte, und man weiß solange nicht, was man will, wie man sich dem, was man haßt, nicht stellt, sich damit konfrontiert und die Dimension erkennt.«
»Nur, falls Sie sich die Frage stellen: Mrs. Banister hat nichts mit Mädchen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Absolut.«
»Man muß vorsichtig sein, die Welt ist boshaft und mißtrauisch, obwohl wir uns bemühen, nicht paranoider zu sein als nötig. Ich wünschte, mir würde eine richtig brandheiße Frage über Sex einfallen, die ich Ihnen stellen könnte…«
»Wenn du das tust, werde ich dir zwischen zwei Anflügen von Schamröte antworten.«
»Ich werde daran denken. Sagen Sie nicht…«
»Nur wenn nötig, und dann nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Du kannst dich auf mich verlassen.«
»Das werde ich«, sagte Betsy und fegte nun endlich aus dem Raum.
Reed fegte nicht in den Raum; er ging auf Zehenspitzen hinein und blickte um sich mit der Verstohlenheit eines Lauschers in einer Komödie aus der Zeit der Restauration. Er hatte eine dick gepolsterte Jacke bei sich, auf der Mr. O’Hara bestanden hatte für den Fall, daß die Hunde ihre Zähne in einen Arm oder den Hals schlagen würden. Auch wenn die Hunde garantiert nicht bissen oder sich sonst irgendwie wild gebärdeten, wurden dennoch Vorkehrungen gegen derartige Möglichkeiten getroffen.
Die Frage war, ob er eine Stelle fand, an der ihn die Hunde nicht bemerkten. Das war O’Haras Herausforderung. Reed bezweifelte zwar, daß es ihm gelingen würde, wollte es aber versuchen.
Der Raum, den er ausgewählt hatte, war eine kleine Halle für turnerische Heldentaten; Seile, Ringe und Trapeze hingen von der Decke herab. Geschickt schwang Reed seine schmale Gestalt an einem Seil empor und zur Sprossenwand hinüber, die die eine Seitenwand bedeckte. Dort hielt er sich erst mit der einen, dann mit der anderen Hand fest und zog die Jacke an. Die Turnhallenuhr, die sich schüchtern hinter ihrem Schutzgitter verbarg, zeigte drei Minuten vor acht. Punkt acht würde O’Hara die Hunde vom Dach lassen. Ihr Start wurde sozusagen angekündigt von der Glocke, die jede Stunde durch das ganze Schulgebäude klang. Beim Klang der Glocke ließ er sich los und hing nun frei schwebend an den Ringen wie – Kate konnte nicht wissen, wie genau sie das Bild getroffen hatte, als sie ihn beschrieb – eine Ziege am Strick, nämlich ziemlich hilflos.
Er baumelte in einem der oberen Stockwerke, damit die Hunde nicht lange brauchten. Tatsächlich glaubte er schon kurz darauf, sie zu hören,
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