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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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Dummstellen half ihr natürlich auch nicht. Sie wusste, wir brauchten nur die Schüler zu fragen und alles wäre klargestellt. Sie zog sich bissig zurück und war in den folgenden Wochen noch verbiesterter als vorher.
    Die einseitige Konfrontation erfuhr ihren Höhepunkt, nachdem Frau D. ein Semester lang ausgefallen war. Das entlastete mich zunächst kolossal. Musste ich doch keine Fallen mehr befürchten. Die Stunden der Kollegin wurden auf die anwesenden Fachlehrer verteilt und auch ich übernahm eine ihrer Klassen imFach Deutsch. Der Direktor sah keine andere Möglichkeit für mich, als in der Zeit von 15.30   Uhr bis 17.00   Uhr den Unterricht zu erteilen. Ich sagte zu, notgedrungen. Was hätte ich auch tun sollen? Man räumte mir keine andere Möglichkeit ein. Das ist der Gipfel, dachte ich. Der Gipfel dessen, was ich an Stunden in den »Selbstmordfächern« vertragen kann und der Gipfel der Erfahrungen, die ich mir in der Schule, bezogen auf Stundenzahl und Stundenplan, zumuten sollte. In diesem Semester hatte ich 22   Stunden vorzubereiten, zu erteilen und nachzubereiten, 14   Klausuren zu konzipieren und zu korrigieren, alle in der 11. bis 13.   Klasse, an allen Klassen-, Fach- und Gesamtkonferenzen teilzunehmen, mehrere Prüfungsklassen zu betreuen, Schüler- und Elterngespräche zu führen. Ich arbeitete sieben Tage durch, bis auf wenige Ausnahmen und freie Wochenenden das ganze Schuljahr lang. Trotzdem sah die Schulleitung keinen Anlass, meinen Vertretungsunterricht zu verlegen.
    Frau R. weigerte sich, nach 13   Uhr Deutschunterricht zu erteilen wegen der nachlassenden Konzentration und der damit verbundenen Disziplinprobleme. Mir und meinen Schülern wurde der Unterricht nach fast acht Stunden geleisteter Arbeit zugemutet. Ich hatte keine Ahnung, wie das werden würde. Frau D.s Klasse war unbedarft, was Methodenkenntnisse und Analyse-Instrumente betraf. Gruppenarbeit kannten die Schüler nicht, ebenso wenig Vorträge, Präsentationen und zielgerichtete Diskussionen. Ich fing ganz unten an, auch was Widerstände, Aggressionen und Verweigerung betraf. Es war schlimm. In der Klasse herrschte eine latent aggressive Grundstimmung. Die Unterrichtszeit um 15.30   Uhr gefiel den Schülern auch nicht und verstärkte die Aggression. Hier halfen nur Geduld, Ausdauer und Konsequenz. Im Laufe des Semesters verbesserte sich die Zusammenarbeit. Ich versuchte den Schülern die Möglichkeit zur Selbstbestätigung und zur Selbstäußerung zu geben. Sie arbeiteten sich in Gruppenarbeit ein, präsentierten ihre Arbeitsergebnisse, lernten zu analysieren, kreativ zu schreiben und lebendig am Text zu diskutieren. Der Prozess, den ich nun schon öfter erlebt hatte, setzte ein: Sie wurden selbstbewusster, sicherer, zufriedener und motivierter. Es war immer noch ein schweres Stück Arbeit, das wir gemeinsam zu leisten hatten, aber es wurde stetig besser. Die Erfahrung des »You can!«wirkte. Sie wirkte so nachhaltig, dass der Klassensprecher und einige Mitschüler am Ende des Semesters zum Direktor gingen und ihn baten, mich als ihre Deutschlehrerin behalten zu dürfen. Sie hatten mich vorher gefragt, aber die Entscheidung über diese Frage lag nicht in meinem Einflussbereich. Also redeten sie mit dem Direktor, hartnäckig mehrere Male und auch noch am Beginn des neuen Semesters, als sie schon wieder von Frau D. unterrichtet wurden. Sie ließen nicht locker. Aber es half nichts. Sie mussten sich damit abfinden, wieder bei Frau D.   Unterricht zu haben. Schließlich gaben sie enttäuscht auf.
    Natürlich trug diese Begebenheit nicht dazu bei, Frau D. mir gegenüber gnädiger zu stimmen. Sie nutzte jede Gelegenheit, um mir ihre Ignoranz und ihre Ablehnung zu zeigen. Die Diskriminierung, erzählte mir Frau C., sei kaum zu ertragen. »Sie lässt kein gutes Haar an dir!«, erzählte sie mir. Mir war aufgefallen, dass einige Kollegen, die mir zuvor neutral entgegengekommen waren, mich nun nicht mehr grüßten und mich auch sonst ignorierten. Ich hatte keine Chance, mich zu wehren, weil all das versteckt ablief. Das waren meine schlimmsten Erfahrungen in der Schule mit der Frage, wie Lehrer mit Lehrern umgehen. Erst als Frau C. in Pension ging, besserte sich die Situation. Die Eifersucht (auch) auf meine Freundschaft mit ihr ließ nach. Ich wurde mehr und mehr in Ruhe gelassen, auch weil wohl endlich bemerkt worden war, dass ich nicht auf Männerjagd ging. Insofern war ich keine Konkurrenz, war es auch nie gewesen, aber es wurde

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