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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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Konkurrenz via Qualifikation. Aufgefallen waren mir Briefchen an neu eingestellte männliche Kollegen, die mit »Gruß und Kuss!« unterschrieben oder »Für meinen Lieblingskollegen!« adressiert waren. Ich hatte darüber gelacht, wenn ich sie einmal zufällig auf einem dieser Plätze liegen sah, aber nicht weiter darüber nachgedacht. Als mir die kluge Kollegin einmal einen Wink gab, weil sie wohl nicht länger mit ansehen konnte, wie ich im Dunkeln tappte und den Grund für die teilweise sehr schroffe Ablehnung zu erklären versuchte, hatte ich ein echtes Schockerlebnis. Hier warb eine erwachsene Frau, die junge Menschen unterrichtete, in Teenagermanier um junge Männer, die es zufällig an ihre Schule verschlagen hatte. Und unterstellte mir ähnliche Kindereien. »Du hast alles, was die Kollegin D. aus ihrer Sicht nicht hat«, erzählte mir Frau C.   Woher bezog Kollegin D. ihre Informationen? Und was machte sie daraus? Sie bestrafte mich dafür, dass ich aus ihrer Sicht besaß, was sie nicht hatte. Das war mein Praxisschock. Er war so ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich war in einem Kindergarten gelandet.
    Die Kollegin war mir auch dadurch aufgefallen, dass sich ihr Verhalten radikal änderte, wenn ein männlicher Kollege oder gar der von ihr angehimmelte Direktor den Raum betrat. Dann sprach sie mit Kinderstimme und schaute mit großen Augen zu dem so Verehrten auf. Sie kam hungrig zur Schule, hungrig nach Anerkennung, Sex, nach einer Beziehung. Es war peinlich. Sie war Lehrerin, unterrichtete Jugendliche. Ihre Fehleinschätzung meiner Person bzw. meiner Ambitionen konnte ich nie aufklären, denn sie ignorierte mich konsequent. Sie genoss es, mich in Gesprächen zu übergehen, mich als Einzige im Raum nicht zu grüßen. Es war nichts zu machen. Sie war stur.
    Insgesamt gefiel es mir an der Schule. Der Direktor unterstützte mein Ansinnen zu bleiben, indem er mir eine sehr gute Beurteilung schrieb. Im Laufe des Einstellungsprozesses, als noch nichts definitiv entschieden war, passte mich Frau D. eines Tages im Flur ab   – und sprach mich an. Es war nicht zu fassen nach einem halben Jahr der völligen Ignoranz. »Wissen Sie«, sagte sie, »das mit Ihrer Einstellung   – da sehe ich schwarz.« Ich zuckte mit den Schultern und schaute sie auffordernd an. Was wollte sie? »Wir haben maldurchgerechnet«, fuhr sie fort, »wenn man alle Lehrkräfte und Stunden, die zu vergeben sind in Ihrem Fach, berücksichtigt, gibt es noch 8   Stunden für Sie, und das lohnt sich ja nicht!« Wie groß musste ihre Angst sein, dass sie unter allen Umständen meine Einstellung verhindern wollte. Als lästige Konkurrenz von vornherein abgewimmelt, gestand sie mir nur Vertretungen zu. »Warten wir’s ab«, schlug ich vor, »wir werden ja sehen, was passiert.«
    Später eskalierte die Situation. Sie versuchte eine aggressivere Strategie: Sie stellte Fallen und spann Intrigen. Das machte mir das Leben wirklich schwer. Hätte ich nicht mein Recherche-Interesse gehabt, ich wäre vielleicht gegangen. Inzwischen kommissarisch mit den Aufgaben einer Fachleiterin betraut, war Frau D. auch für die Abschlussprüfungsthemen zuständig. Das bedeutete, dass sie jedem betroffenen Kollegen rechtzeitig diese Themen zumindest bekannt geben musste, damit sich alle im Unterricht vom 1.   Halbjahr der 13.   Klasse beginnend damit beschäftigen konnten. So blieb genügend Zeit für die Erarbeitung der Inhalte und Methoden. Usus war, dass sich die Fachkollegen über die Themen berieten und sie gemeinsam aussuchten. Das war an mir vorbeigegangen. Es wurde mir kein Termin für diese Besprechung mitgeteilt. Sechs Wochen nach Beginn des Halbjahres schien es mir höchste Zeit für die Auswahl der Themen zu sein und ich sprach eine der Kolleginnen darauf an. »Wissen Sie’s denn noch nicht?«, sagte sie spöttisch, »wir nehmen Brecht.«
    Es stellte sich heraus, dass sie bereits seit sechs Wochen dieses erste Prüfungsthema unterrichteten, es auch vorher besprochen hatten. Ich hinkte sechs Wochen hinter den anderen her, weil man mich weder zu der Besprechung eingeladen noch von der Entscheidung unterrichtet hatte. Was wäre geschehen, wenn ich nicht gefragt hätte? Ich dachte nicht darüber nach, sondern schloss das bereits begonnene Thema ab, fing mit der Brecht-Lektüre in der Prüfungsklasse an, und konnte es doch nicht fassen: so viel Niedertracht, ausgehend oder geduldet von der Fachleitung, die andere mit zog, insbesondere ihre enge

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