Schumacher, Jens - Deep
verlaufenden Korridor mit grün lackierten Stahlwänden. Dr. Wilkins spähte aufmerksam nach beiden Richtungen, doch nirgends waren Männer Hauschildts zu sehen. Er bedeutete Becca, ihm zu folgen, und lief nach kurzem Zögern in eine Richtung los, die sie, wie er hoffte, tiefer ins Herz der Anlage führen würde.
Im Laufschritt passierten sie eine stählerne Tür mit einem runden Fenster. Fettiger Essensgeruch hing in der Luft, und Wilkins nahm an, dass es sich um die Versorgungsküche der Station handelte.
Er rannte weiter. Plötzlich glitt eine gläserne Doppeltür in der rechten Wand des Ganges lautlos auf. Wilkins umkrampfte mit der Hand das kalte Metall der Regalstrebe, die er noch immer bei sich trug, bereit, jeden niederzuschlagen, der herauskäme.
Doch die Türöffnung blieb leer.
Drinnen war ein weitläufiger, dunkler Raum mit mehreren langen Tischen und Stühlen für mindestens zwei Dutzend Personen zu erkennen. Keine Menschenseele war darin.
Ohne Vorwarnung glitt die Glastür wieder zu – und sofort wieder auf, als Becca auf ein Kästchen über der Tür deutete. »Ein Bewegungssensor! Und mir wäre fast das Herz stehenge …«
Das vertraute Ping des Aufzugs, nur wenige Gangbiegungen entfernt, unterbrach sie.
Jemand war ihnen gefolgt!
Schon ertönten irgendwo hinter ihnen schwere, stampfende Schritte. Sie kamen in ihre Richtung.
»Verflucht! Kroll muss rechtzeitig beim Lift gewesen sein, um auf der Etagenanzeige zu sehen, wo wir ausgestiegen sind.« Wilkins packte Becca am Arm und zog sie hinter sich her den Gang entlang.
Sie umrundeten eine Biegung und erreichten einen Flur mit mehreren schmalen Türen. Die linke Wand war glatt und wies eine leichte Wölbung auf. Spürbare Kälte ging von ihr aus.
»Die Außenwand«, stieß Dr. Wilkins ärgerlich hervor. Seine Einschätzung des Grundrisses von Deck D hatte sich als falsch erwiesen. Sie waren genau dort gelandet, wo er keinesfalls hatte enden wollen: am äußersten Rand des Habitats, wo ihnen viel weniger potenzielle Fluchtmöglichkeiten blieben als im Kern der Anlage. Ihre einzige Chance bestand nun darin, sich in einer der Mannschaftsunterkünfte zu verstecken.
Er sprang zur ersten Tür und packte den Knauf. Unglücklicherweise war es einer von jener Sorte, die sich nur drehen ließ, wenn in der Mitte ein passender Schlüssel eingesteckt wurde – den Wilkins natürlich nicht hatte.
Neben ihm stieß Becca einen leisen Fluch aus. Sie hatte die nächste Tür probiert, ebenfalls erfolglos.
Die polternden Schritte kamen näher.
»Weiter, schnell!«
Sie rannten an den restlichen Türen vorüber und folgten dem Korridor um einen scharfen Rechtsknick. Das Gangstück dahinter war nur etwa sechs Meter lang und endete wenige Schritte weiter vor einem großen Stahlschott. Rechter Hand waren zwei weitere Kabinentüren in die Wand eingelassen.
Ohne Absprache hastete Wilkins zur ersten und rüttelte am Knauf, während Becca an der zweiten dasselbe tat. Doch genau wie die vorherigen Unterkünfte ließen sich auch diese nicht ohne Schlüssel öffnen.
Fluchend eilten sie zu dem deckenhohen Schott am Ende des Ganges. In der Wand daneben befand sich ein Taster. Dr. Wilkins betätigte ihn.
Nichts geschah.
Wieder und wieder schlug Wilkins auf den Schalter ein, bis er ihn am Ende mit der ganzen Faust traktierte. Doch entweder war der Öffnungsmechanismus defekt, oder man hatte ihn von anderer Stelle deaktiviert. Das Schott rührte sich keinen Millimeter.
Dr. Wilkins sparte sich die Luft für einen weiteren Fluch. »Rasch, zurück«, keuchte er. »Wenn wir vor Kroll an der letzten Abzweigung sind …«
Er verstummte, als ihm auffiel, wie laut der Widerhall der Schritte bereits war. Ihr Verfolger konnte sich bestenfalls noch ein Dutzend Meter entfernt befinden, musste also bereits im Korridor hinter der Biegung sein.
Dr. Wilkins bezog vor dem geschlossenen Schott Aufstellung, die Stahlstrebe mit beiden Händen vor die Brust gehoben. »Egal, was jetzt passiert – sollte sich eine Gelegenheit bieten, an Kroll vorbeizukommen, dann rennst du den Korridor zurück und versuchst, auf ein anderes Deck zu flüchten«, befahl er. »Verstanden?«
Becca schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn Sie glauben, ich lasse zu, dass dieser Fleischberg Sie zu Mus verarbeitet, haben Sie sich geschnitten.« Sie griff in den Karton, den sie während der Flucht wie ein Baby gegen ihre Brust gepresst hatte, holte einen der faustgroßen Glasbehälter heraus und hob wurfbereit den
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