Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
klar wurde, dass die Laute aus dem Boden unter seinen Füßen kamen – und um was es sich tatsächlich handelte.
»Gewehrschüsse«, keuchte Golitzin. »Salven aus automatischen Waffen!«
Im selben Augenblick erbebte der Boden unter ihren Füßen, nicht stark, doch deutlich wahrnehmbar. Mit leichter Verzögerung rollte ein dumpfer Schlag heran, wie von einem gigantischen Feuerwerkskörper. Neue Geschosssalven folgten, dann vibrierte das Eis ein zweites und ein drittes Mal. Der Schall zweier weiterer Detonationen folgte dichtauf.
»Explosionen«, stellte Eileen fest. »Jemand zündet Handgranaten. Oder etwas Stärkeres!«
»Das kommt von unten, aus den Stollen«, stellte Henry fest. »Spyker hat gesagt, dass sie sich weit über die Stadtgrenzen hinaus erstrecken – also auch unterhalb dieses Lagers.«
Sekundenlang sprach niemand ein Wort. Dann flüsterte Lincoln: »Scheint, als ob der alte Spyker seinen Feindkontakt endlich bekommen hätte. Er muss auf die Bewohner der Ruinenstadt gestoßen sein. Und wie es sich anhört, sind die Burschen verdammt mies drauf!«
30
AM RAND DER RUINENSTADT, 18. APRIL 2013
Mit unbewegter Miene wandte sich Boris Golitzin zum SnoCat um.
»Was haben Sie vor?«, fragte Eileen entgeistert.
»Was werde ich wohl vorhaben? Ich mache die Fahrzeuge startklar, und dann sehen wir zu, dass wir Land gewinnen«, gab der Russe über die Schulter zurück.
»Aber …« Die Wissenschaftlerin stockte, lauschte auf den Tumult, der aus dem Boden nach oben drang. »Sie wollen die Männer dort unten ihrem Schicksal überlassen?«
Golitzin zuckte mit den Schultern. »Für meine Ohren klingt es, als schlügen sich Spykers Zinnsoldaten ganz gut.«
»Das ist nicht richtig«, widersprach Professor Albrecht. »Hören Sie genauer hin.«
Tatsächlich hatten sich die Kampfgeräusche aus der Tiefe innerhalb kurzer Zeit verändert. Detonationen waren jetzt nicht mehr zu vernehmen und die hektischen MP-Feuerstöße wirkten leiser. Oder sie kamen aus weniger Waffen als zuvor.
»Offenbar haben sie ihre Widersacher so gut wie besiegt«, vermutete Golitzin unbeteiligt.
Dr. Lamont schüttelte mit leichenblasser Miene den Kopf. »Und wenn sie unterliegen und von den … den Kreaturen immer weiter aufgerieben werden?«
Boris Golitzin fuhr herum. »Blin! Was sollen wir Ihrer Meinung nach denn unternehmen? Wollen Sie etwa da runtersteigen und Spyker und seinen Leuten den Arsch retten? Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass der Mann ein Verbrecher ist? Dass er uns gekidnappt und tagelang gegen unseren Willen festgehalten hat? Dass einer seiner Männer mich um ein Haar umgebracht hätte?«
»Ich denke, das ist uns allen mehr als bewusst«, sagte Professor Albrecht ruhig. »Nichtsdestoweniger …«
Die Feuerstöße unter der Erde verstummten.
Nacheinander richteten alle Anwesenden ihren Blick zu Boden. Einige bange Sekunden verstrichen, dann setzte das heisere Stakkato automatischer Waffen erneut ein. Jetzt bestand allerdings kein Zweifel mehr, dass es sich höchstens noch um eine oder zwei MPs handelte.
»Gegen was auch immer die Soldaten kämpfen, wir können sie nicht einfach sterben lassen«, sagte Eileen.
Ein eisiger Schauer rieselte über Henrys Rücken, als er sich selbst sagen hörte: »Das sehe ich genauso.«
»Shit! Du willst doch nur da runter, weil du immer noch hoffst, dort eine Spur deines Vaters zu finden!« Lincolns käseweißem Gesicht war seine Angst deutlich anzusehen. Seine Angst und der innige Wunsch, sofort von hier zu verschwinden.
»Was könnten wir schon gegen einen Gegner ausrichten, der in der Lage ist, einen Haufen kampferprobter Ex-Marines niederzumachen?«, wollte Golitzin wissen.
»Wir stimmen ab«, befahl der Professor. »Option eins: Wir versorgen uns im S1 mit Waffen und dringen in das Tunnelsystem ein, um Spyker und seinen Leuten zu helfen.«
»Ich bin für Option zwei«, rief Lincoln sofort. »Egal, wie sie aussieht!«
»Option zwei: Wir besteigen die Fahrzeuge und begeben uns ohne Verzögerung auf den Heimweg, auf direkter Route gen McMurdo.« Der Professor warf einen raschen Blick in die Runde. »Wer stimmt für Option eins?«
Nach kurzem Zögern hoben Eileen, Henry, Dr. Lamont und Professor Albrecht die Hand.
Boris Golitzin verschränkte demonstrativ die Arme. »Ich werde nicht mein Leben riskieren, um eine Bande von Kriminellen zu retten«, stellte er klar. »Abgesehen davon würde ich Sie mit meinem kaputten Bein nur behindern.«
»Shit, meine
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