Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
aufgefallen, die sich quer durch die ganze Stadt zog und deren fünf Strahlen die entlegensten Punkte der Metropole miteinander verbanden. Falls diese Formation eine unterirdische Entsprechung habe, so hatte er Spyker mitgeteilt, sei es denkbar, dass kulturelle und technische Güter der Alten Wesen entweder unter dem Zentrum des Sterns verborgen lägen oder unter einem seiner Eckpunkte.
Spyker hatte darauf mit Enttäuschung, ja, unverhohlenem Ärger reagiert. Im Zentrum der sternförmigen Struktur seien seine Leute bereits gewesen, verkündete er. Sie hätten dort jedoch nichts gefunden als die Wanne mit dem grünlichen Algenbrei. Und die Eckpunkte des Sterns lägen über dreißig Kilometer weit auseinander, die Soldaten könnten sie unmöglich alle fünf zu Fuß aufsuchen.
»Er wirkte nicht so, als wolle er meinen Vorschlag in die Tat umsetzen«, bestätigte der Professor. »Andererseits war es ja auch nur eine Vermutung meinerseits. Niemand kann sagen, was die Schöpfer dieser Stadt sich bei ihrer Errichtung wirklich gedacht haben.«
»Es ist mittlerweile verdächtig ruhig da draußen«, bemerkte Lincoln. »Vielleicht hat Spyker ja alle seine Kettenhunde mitgenommen? Dann würde jetzt auch keiner mehr unser Zelt bewachen …«
Golitzin bedachte ihn mit einer spöttischen Miene, doch er erhob sich und humpelte mit seiner behelfsmäßigen Krücke zur Eingangsschleuse. Mit der flachen Hand schlug er gegen die Kunststoffplane. »Hey da draußen! Wann gibt’s Frühstück? Wir haben Hunger!«
Einen Augenblick lang geschah nichts. Dann wurden die Reißverschlüsse ruckartig nach unten gezogen und die schwarz glänzende Mündung einer MP erschien in der Öffnung. »Weg vom Eingang!«, zischte eine raue Stimme.
Als Golitzin folgsam einige Schritte zurücktrat, fügte der Soldat von draußen hinzu: »Heute gibt’s kein Frühstück. Mr Spyker hat die gesamte Besatzung mit in die Stollen genommen. Bis sie heute Abend zurückkommen, könnt ihr meinetwegen welche von euren Proteinriegeln fressen.« Damit schloss der Wachmann den Eingang.
»So viel zu deiner Theorie, Lincoln«, sagte Golitzin und humpelte zu seinem Platz zurück.
»Spyker hat also alle restlichen Soldaten mitgenommen«, murmelte Dr. Lamont. »Scheint, als wollte er’s jetzt wissen.«
»Ihm geht der Arsch auf Grundeis, Mann!« Für Lincoln war die Sache einmal mehr sonnenklar. »Wenn seine Jungs weiter so dezimiert werden, hat er Schiss, in ein, zwei Tagen plötzlich allein hier zu sitzen. Allein mit uns! Darauf hat er natürlich keinen Bock.«
»Das Dumme ist«, erwiderte Eileen ruhig, »falls du recht hättest, könnte wahrscheinlich niemand etwas dagegen unternehmen.«
Zäh wie Kaugummi zogen sich die Stunden dahin. Nach einer Weile begann Henrys Magen zu knurren und er versorgte sich mit einer Tafel Schokolade und einigen Hartkeksen aus den Vorratskisten. Als die Mittagszeit anbrach, setzte Eileen Wasser auf und sie bereiteten sich ein paar Tütenmahlzeiten zu. Aber nach den echten, frisch gekochten Speisen der letzten Tage schmeckten die Instantgerichte fad und langweilig.
Nach dem Essen saßen sie auf ihren Kisten herum und nippten an dem Tee, den Lincoln aufgebrüht hatte. Die Untätigkeit zerrte an den Nerven. Irgendwann begann Dr. Golitzin, neue Fluchtpläne zu schmieden. Sie fußten allesamt auf dem Umstand, dass ihr Zelt jetzt nur noch von einem einzelnen Bewaffneten bewacht wurde. Einige seiner Ideen klangen verwegen, andere durchaus praktikabel. Leider liefen sie ohne Ausnahme darauf hinaus, dass mindestens einer, in den meisten Fällen jedoch mehrere von ihnen sich ein Projektil aus der Waffe des Soldaten einfingen, bevor es jemandem gelang, ihn zu überwältigen. Falls es ihnen gelang.
Vor dem Eingang blieb es währenddessen bemerkenswert ruhig. Der Soldat hustete nicht, nieste nicht, er trat nicht von einem Bein aufs andere, wie es seine Vorgänger getan hatten, um die Kälte aus ihren Gliedern zu vertreiben. Er tat einfach – gar nichts.
»Vielleicht ist er kacken gegangen und auf dem Rückweg vom Klo erfroren?«, schlug Lincoln vor.
Dr. Golitzin machte eine einladende Geste in Richtung Schleuse. »Du kannst dich gern vergewissern. Ich für meinen Teil verspüre kein Verlangen, noch einmal in die Mündung einer entsicherten AK-47 zu schauen.«
In diesem Moment tat sich etwas. Schritte näherten sich draußen über den vereisten Boden, dann machte sich jemand am Reißverschluss der Außenplane zu schaffen. Es folgte die innere
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