Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
Schleuse, der Eingang wurde geöffnet und eine hochgewachsene Gestalt in schwarzer Militärmontur betrat das Zelt.
»Gray!« Boris Golitzin benötigte nur einen Sekundenbruchteil, um seine Überraschung zu überwinden. Dann hatte er nach seiner Schaufel gelangt, sich von seinem Sitzplatz hochgestemmt und humpelte los, um auf den Funker loszugehen. Dr. Lamont und Eileen hielten ihn zurück.
»Was wollen Sie, Mr Gray?«, fragte Professor Albrecht kühl. »Reicht es Ihnen nicht, dass Sie uns hintergangen haben? Sind Sie gekommen, um unsere Niederlage persönlich auszukosten?«
Nervös schweifte Grays Blick zwischen den Insassen des Zelts hin und her. In Henrys Augen wirkte er nicht, als wollte er sie verhöhnen. Im Gegenteil: Gray, sonst ein Sinnbild für Ruhe und Beherrschtheit, wirkte fahrig und gehetzt, als hätte er vor irgendetwas große Angst.
»Es hat wahrscheinlich nicht viel Sinn, dass ich Sie um Verzeihung bitte, darum versuche ich es gar nicht erst«, begann Gray, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Golitzin ihm fürs Erste nicht die Aluminiumschaufel über den Schädel ziehen würde. »Was ich getan habe, war eine Dienstleistung, für die ich Geld erhalten habe. Viel Geld. Nichts Persönliches. Vielleicht können Sie das verstehen?«
»Natürlich verstehen wir das«, schnaubte Golitzin höhnisch. »Kommen Sie nur her, damit ich Sie in die Arme schließen kann, alter Freund!«
Der Professor gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. »Was wollen Sie?«, wiederholte er.
»Was ich will? Ich will weg von hier!«, stieß Gray hervor. »Irgendetwas geht hier vor: Männer werden krank und verschwinden spurlos, andere hören in den Tunneln merkwürdige Geräusche, als lauere dort irgendjemand – oder irgendetwas! Aber Spyker, dieser Wahnsinnige, will einfach nicht von seinem Plan ablassen. Er ignoriert alle Warnzeichen, wenn er nur seine verdammten …«
»Geräusche?«, unterbrach ihn Lincoln mit aufgerissenen Augen. »In den Stollen?«
Dr. Lamont trat mit fragendem Blick auf den Funker zu. »Es gab Krankheitsfälle unter Spykers Leuten?«
Gray nickte. »Mit Cruikshank und seinen Begleitern ging es los. Am Abend nach ihrem ersten Einsatz klagten sie über Mattigkeit und Übelkeit, ihre Gesichter hatten sämtliche Farbe verloren. Die Haut wirkte fahl, beinahe grau.«
In Henrys Hinterkopf schrillte eine Alarmglocke. Diese Symptome – es waren dieselben, die sein Vater im Tagebuch beschrieben hatte!
»Am nächsten Tag waren drei von ihnen verschwunden, der vierte folgte gestern Nachmittag. Als die Soldaten abends zurückkehrten, waren sechs weitere Männer erkrankt, diesmal aus verschiedenen Teams. Die Symptome waren dieselben: Kraftlosigkeit, teilweise erhöhte Temperatur, extrem blasse Haut.«
»Hmm.« Lamont kratzte sich am Kopf. »Hört sich nach einem Virus an. Möglicherweise etwas im Essen …«
»Sechs neu Erkrankte …«, wiederholte Henry leise. Hatte Spyker diese Zahl nicht gestern in irgendeinem Zusammenhang erwähnt?
»Heute morgen waren fünf dieser Männer verschwunden«, fuhr Gray hektisch fort. »Der sechste war zwar noch da, aber zu schwach, um mit den anderen ins Labyrinth hinabzusteigen. Spyker stellte ihn zur Bewachung Ihres Zelts ab.« Die Miene des Funkers hatte mittlerweile etwas Panisches. »Haben Sie den Soldaten im Verlauf des Vormittags mal gesehen?«, wollte er wissen.
»Nur den Lauf seiner Waffe«, erwiderte Eileen. »Warum?«
Gray schluckte. »Er sah furchtbar aus. Sein Gesicht war grau und verquollen, als litte er an einer starken allergischen Reaktion. Tränensäcke unter den Augen, schwammige Falten an Hals und Wangen …«
Dr. Lamont runzelte die Stirn. »Das hört sich nach keiner Krankheit an, von der ich schon einmal gehört hätte«, gab er zu.
»Genau so hat Dad die Symptome der Wissenschaftler aus seinem Team beschrieben, die auf dem Weg zum Gebirge plötzlich verschwunden sind«, platzte Henry heraus. »Im Tagebuch stand etwas von ›ungesund gräulicher Gesichtsfarbe‹ und aufgequollener Haut‹!«
»Aber wo ist der Zusammenhang?« Eileen schüttelte verwirrt den Kopf. »Wieso entwickeln Spykers Leute dieselben Symptome, mit denen Donalds Begleiter viele Tagesreisen westlich von hier zu kämpfen hatten?«
»Sie sagen, Spyker hat den verbliebenen Kranken trotz seiner Beschwerden zum Wachdienst eingeteilt?«, hakte Professor Albrecht nach.
»Spyker ist ein Schinder«, erklärte Gray nickend. »Er hat dem armen Kerl damit gedroht, ihm den
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