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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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höchstpersönlich hinter ihm her. »Sie sind in der Passage!«, stieß er zwischen zwei hechelnden Atemzügen hervor. Er schien mit einem Würgereflex zu kämpfen, ob vor Angst oder Ekel, war nicht zu sagen. »Ich habe sie gesehen! Groß, grau … sternförmiger Kopf … Tentakel, die sich in alle Richtungen winden. Wie in dem Video, nur tausendmal grässlicher!«
    Er hatte den letzten Satz kaum beendet, als das geisterhafte Heulen hinter ihnen eine neue, bedrohliche Dimension annahm. Trillernd schraubte es sich in bislang ungekannte Höhen hinauf. Obwohl die Schreie völlig anders waren als alles, was Henry je gehört hatte, glaubte er, eine zusätzliche Komponente darin auszumachen. Das Heulen hörte sich jetzt nicht mehr bloß aggressiv und gierig an.
    Es klang triumphierend!
    Henry widerstand dem Drang, den Kopf zu drehen und einen Blick über die Schulter zu werfen. Wenn der direkte Anblick der Kreaturen so erschütternd war, wie Gray sagte, tat er besser daran, sich ganz aufs Laufen zu konzentrieren.
    »Sie holen auf«, ächzte Professor Albrecht. »Wir schaffen es nicht!«
    »In die Seitenstollen!« Aus vollem Lauf bog Eileen nach rechts ab. »Hier in der Passage können wir sie nicht abhängen. In den schmalen Tunneln haben wir vielleicht eine Chance!«
    Ohne ihr Tempo zu verringern, rannten sie zwischen zwei der baumdicken Steinsäulen hindurch in eine Stollenmündung, kaum größer als die Tür eines Kleiderschranks. Henry taumelte unter seiner Last, prallte mit der Schulter gegen schwarzes Gestein. Ein dumpfer Schmerz flackerte durch seinen Arm, doch er ließ nicht zu, dass sich seine Finger um die Knie seines Vaters lockerten.
    Der Schmerz blieb. Jedes Atemholen war ein Feuerstoß in seinen Lungen. Sonderbar unbeteiligt dachte er an den Muskelkater, den er am nächsten Tag mit Sicherheit haben würde, und für einen Sekundenbruchteil wurde der Drang, anzuhalten und sich einfach neben seinem Vater auf den Boden zu legen, übermächtig.
    »Niemals!«
    Henry wusste nicht, ob er laut gesprochen oder nur intensiv gedacht hatte, doch es half. Der Moment der Schwäche verflog. Er musste durchhalten, andernfalls würde es kein Morgen mehr geben, an dem er Muskelkater haben könnte. Nie mehr!
    Ein paar Schritte vor sich sah er das auf und ab hüpfende Licht von Eileens Helmlampe. Er fixierte es, machte es zum Mittelpunkt seiner Wahrnehmung. Eileen lief jetzt an der Spitze, und das war gut so. Sie schien als Einzige noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn Henry immer dicht hinter ihr blieb, konnte ihm nichts …
    Plötzlich war ihr Licht verschwunden.
    Innerhalb von zwei, drei rasenden Herzschlägen hatten Golitzin und er die Stelle erreicht, wo er Eileen zuletzt gesehen hatte. Bevor sie ihr Tempo drosseln konnten, schoss plötzlich ein Arm aus einem schmalen Durchgang zu ihrer Linken und zerrte sie in einen engen Stollen, der in spitzem Winkel vom bisherigen abzweigte.
    Henry stöhnte, die Anstrengung ließ ihn taumeln. Wie durch einen Schleier nahm er wahr, dass auch Lamont, der Professor und Morten Gray hinter ihnen herkamen – da bog Eileen dicht vor ihnen erneut ab. Henry bemühte sich, im Laufen den Kopf ruhig zu halten, und versuchte, Details der Umgebung in sich aufzunehmen.
    Alle paar Meter zweigten Gänge nach rechts oder links ab. Sie befanden sich in einem extrem verästelten Sektor des unterirdischen Komplexes. Eileen, die nur zwei Schritte vorneweg hetzte, wählte willkürlich Tunnelöffnungen, ließ andere aus, bog mal hierhin, mal dorthin ab. Henry und Dr. Golitzin gaben sich Mühe, ihr trotz der Last, die sie zwischen sich trugen, ohne Geschwindigkeitsverlust zu folgen.
    Nach rund zwei Dutzend scharfen Kehren hörte Henry auf mitzuzählen. Er hatte einen tranceartigen Zustand erreicht, in dem sowohl die Anstrengung als auch der Schmerz in angenehme Ferne gerückt zu sein schienen. Alles fühlte sich an wie in Watte eingepackt, nicht mehr real. Er hatte davon gehört, dass dies bei Ausdauersportlern zuweilen passierte, dass manche Menschen sich sogar willentlich in eine derartige Trance versetzen konnten. Nur seinem eisernen Willen, seinen Vater zu retten, hatte er es zu verdanken, dass er nicht längst zusammengebrochen war. Aber wie lange würde das wohl noch gut gehen? Jeder Körper kam irgendwann an seine Grenzen. Dann würde er zusammenklappen wie eine Marionette mit gekappten Fäden und beim besten Willen nicht mehr aufstehen können!
    Selbst Henrys Gehör schien von seiner

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