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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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erneut.
    Golitzin ging vor den Kreuzen in die Hocke und untersuchte die silbernen Anhängsel. Jetzt erst wurde Henry klar, dass es sich um Identifikationsmarken handelte, ähnlich der, die er selbst um den Hals trug.
    Gray trat an seine Seite und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Keine Angst: Dein Dad ist nicht darunter. Wir haben schon nachgesehen.«
    Der Druck um Henrys Brust löste sich. Vor Erleichterung hätte er beinahe den Tablet-PC fallen lassen.
    »Dr. Li Huong«, las Golitzin laut vor. »Craig Harris, Fran Meddowes, Hank Brannigan. Und Dr. Henrik Aksel!« Er umschloss die letzte Marke mit der behandschuhten Faust und schloss die Augen. »Bei Gott … Henrik! Wie konnte das geschehen?«
    Die Männer ließen ihren Führer einige Augenblicke um seinen Kollegen trauern, dann hob Dr. Lamont zögernd die Stimme: »Wie Sie wissen, kenne ich mich mit der Fauna der Polarregionen nicht aus. Ich weiß, dass es in der Antarktis keine Eisbären gibt und auch nie welche gegeben hat. Dennoch sieht hier alles so aus, als wäre das Lager von einem Rudel Raubtiere angegriffen worden. Großer Raubtiere! Dafür sprechen neben der Art der Verwüstungen auch die aufgerissenen Nahrungsmittelpackungen.«
    Golitzin erwiderte nichts, er starrte nach wie vor die Steinhaufen mit den Kreuzen an.
    »Es gibt aber auch Punkte, die gegen eine Tierattacke sprechen, Duncan«, wandte Eileen ein.
    Lamont runzelte die Stirn. »Nämlich?«
    »Ich habe mir Donalds SnoCat etwas genauer angesehen. Er ist nicht nur äußerlich beschädigt, wie wilde Tiere es getan hätten. Auch der Innenraum wurde verwüstet, und zwar systematisch: Armaturen und Geräte sind aus den Verankerungen gerissen, kein Kabel hängt mehr am anderen.«
    »Für einen Angriff durch Tiere wäre generell auffallend viel Technik zu Bruch gegangen«, pflichtete Henry ihr bei. »Eisbären oder Wölfe würden alles, was nicht nach Fressen riecht, nicht weiter beachten. Aber nahezu alle elektrischen Geräte, die ich gesehen habe, waren zerstört. Als ob jemand sie gezielt kaputt gemacht hätte.«
    »Heute Abend werden wir dieses Rätsel wohl nicht mehr lösen.« Golitzin hatte zur Sprache zurückgefunden. Er ließ den Strahl seiner Lampe ein letztes Mal quer über das Lager schweifen. »Morgen, bei Tageslicht, werden wir die Umgebung nach Spuren absuchen. Außerdem wäre es vielleicht zweckdienlich, einen der Toten zu exhumieren und die Art seiner Verletzungen zu untersuchen.«
    »Eine gute Idee«, stimmte Professor Albrecht zu. »Obwohl ich mir wünschen würde, wir könnten auf diesen Schritt verzichten.«
    »Ich schlage vor, dass wir jetzt ein Nachtlager errichten.« Golitzin wies auf den Tablet-PC. »Während wir die Zelte aufbauen, kann sich Henry an diesem Rechner versuchen, den Dr. Cavanaugh und ich im Hauptzelt gefunden haben. Mit etwas Glück enthält er zusätzliche Aufzeichnungen seines Vaters, die uns weiterhelfen.« Er warf einen fragenden Blick in die Runde. »Gegenstimmen?«
    »Äh … Dr. Golitzin? Sir?«
    Sechs Köpfe drehten sich synchron in die Richtung, aus der Lincolns brüchige Stimme erklungen war.
    Der junge Techniker hatte sich unmerklich von der Gruppe entfernt und stand jetzt etwas abseits der Grabstellen in der Dunkelheit. Das Einzige, was man von ihm sehen konnte, war der Strahl seiner Taschenlampe, den er vor sich auf den Boden gerichtet hielt.
    Zögernd setzte sich die Gruppe in Bewegung. Als sie sahen, was Lincoln entdeckt hatte, wurde es schlagartig still. Nur das wimmernde Pfeifen des Windes über der Ruinenstadt war zu hören.
    »Shit … Könnte mir bitte jemand sagen, dass das nicht das ist, wofür ich es halte?« Lincoln klang wie ein Kind, das kurz davor ist, in Tränen auszubrechen.
    Noch immer sprach niemand ein Wort.
    Hier, außerhalb der Lagerbegrenzung, war die dünne Schneedecke über dem Eis noch weitgehend intakt. Unmittelbar vor Lincolns Füßen zog sich eine Reihe von Spuren durch die pulverige weiße Schicht. Sie verliefen in einem weiten Bogen vom Camp fort, in Richtung der gigantischen schwarzen Gebäude.
    Es waren Abdrücke von großen, fünfzehigen Gliedmaßen, deren Umrisse frappierend an einen Seestern erinnerten.

18
     
    AUS DEM EXPEDITIONSTAGEBUCH
    VON DR. DONALD WILKINS
     
    26. März 2013 (abends)
    Nach dem plangemäßen Aufbruch vom Materiallager harnen wir zunächst gut voran. Am Nachmittag dann die Ernüchterung. Whiteout! Sicht gleich null, alles weiß in weiß. Kommen nur noch mit Schrittgeschwindigkeit

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