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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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Tiers.
    Die Atemzüge hinter der Kamera setzen wieder ein, gepresst, keuchend. Dann eine flüsternde Stimme:
    »Da ist es wieder! Dasselbe Geräusch, das mich schon vergangene Nacht geweckt hat. Nur viel näher diesmal …«
    Schweigen.
    Das Knirschen im Schnee setzt von Neuem ein. Ohne Eile umrunden die Schritte das Zelt. Die Kamera folgt dem Geräusch, schwenkt von der linken Zeltwand über den Eingangsbereich und weiter zur rechten Wand.
    Ein erneutes Schnüffeln, schleimig und guttural. Das Tier, das die Geräusche verursacht, scheint sehr groß zu sein.
    Die Kamera schwenkt um 180 Grad herum. Das unrasierte Gesicht eines Mannes Ende zwanzig kommt ins Bild, eingerahmt von einer dick gefutterten Kapuze. Er steckt bis zu den Schultern in einem Iso-Schlafsack. Seine Augenpartie ist verquollen, Liegefalten im Gesicht verraten, dass er bis vor wenigen Minuten fest geschlafen haben muss.
    »Hank Brannigan, M.A.«, flüstert er in die Kamera. Seine Worte kommen schnell, gehetzt. Trotz des Heizgeräts im Hintergrund bildet sein Atem dicke weiße Wolken vor seinen Lippen. »Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Dr. Joshua Eisley, unterwegs mit der Spyker-Antarktis-Expedition unter der Leitung von Dr. Donald Wilkins. Derzeitige Position: Randbereich eines nicht in den Karten verzeichneten Gebirges. Ungefähre geografische Lage: 73 Grad südlicher …«
    Ein platschendes Geräusch lässt ihn zusammenfahren. Der Bildausschnitt ruckt herum, die Kamera fixiert die Zeltwand oberhalb der Schlafstelle.
    Durch die Plane sind die Abdrücke von etwas zu erkennen, das sich von außen gegen die doppelte Kunststoffschicht presst. Die Form erinnert an zwei auffallend schlanke Arme.
    Unvermittelt beginnen sie, sich hin- und herzuwinden, geschmeidig wie Schlangen. Das feuchte Schnüffeln ertönt jetzt in schnellerem Rhythmus. Erregt.
    Ärgerlich!
    »Grundgütiger Gott, was …«
    Ein schrilles Kreischen, verzerrt durch das Knacksen des übersteuernden Kameramikrofons. Etwas peitscht von außen gegen die Zeltplane. Mehrere dünne, klauenähnliche Objekte durchstoßen die Kunststoffhaut, reißen sie auf.
    Der unmenschliche Laut wiederholt sich. Die zerfetzte Plane wird auseinandergerissen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde ist ein massiger, über zwei Meter hoher Schemen zu erkennen, der sich blitzschnell durch die entstandene Öffnung windet. Der Autofokus regelt hektisch nach, erfasst kurz eine verwirrende Vielzahl von Armen, bedeckt von runzliger grauer Haut …
    Hank Brannigan schreit, ein Laut ungläubigen, grenzenlosen Entsetzens. Die Kamera entgleitet seinen Händen, fallt zu Boden, der Bildausschnitt überschlägt sich. Schließlich bleibt das Gerät auf der Bodenplane liegen. Der Bildausschnitt zeigt auf dem Kopf stehend die nach wie vor geschlossene Eingangsschleuse des Zelts.
    Das schrille Heulen schwillt auf und ab wie eine Sirene. Es wird von einem kurzen Sirren abgelöst, dem ein klatschendes Geräusch folgt, wie ein Peitschenschlag. Hank Brannigan schreit noch einmal, hoch und panisch wie ein Kind.
    Ein dumpfes Krachen, wie vom Bersten eines dicken Astes.
    Der Schrei bricht abrupt ab. Ein schwaches Röcheln, dann herrscht Stille.
    In der Ferne sind die gedämpften Schreie weiterer Männer zu hören. Sirenenartiges Geheul aus verschiedenen Richtungen.
    Irgendwann wird es ruhig. Hin und wieder noch scheppernde oder klirrende Laute, schließlich: nichts mehr.
    Die Kamera zeigt die Eingangsschleuse des Zelts, bis die Aufnahme von der Energiesparfunktion des Geräts automatisch beendet wird.

20
     
    IN DER RUINENSTADT, 15. APRIL 2013
     
    »Shit, ich halte das echt für keine gute Idee, Leute!« Dünn hallte Lincolns Stimme von den schwarzen Mauern ringsum wider. »Ich meine, nur ein geisteskranker Vollidiot würde nach dem, was auf dem Video zu sehen war, noch freiwillig einen Fuß in diese Ruinen setzen, oder?«
    »Scheint, als hättest du dich eben recht treffend selbst charakterisiert«, erwiderte Dr. Golitzin humorlos. »Immerhin begleitest du Henry und mich freiwillig. Wir haben dich nicht gezwungen mitzukommen.«
    »Oh Mann!« Lincoln bemühte sich um eine aufrechte, furchtlose Haltung, seine Augen jedoch zuckten nervös zwischen den albtraumhaften Gebäuden zu beiden Seiten der Straße hin und her. »Ihr glaubt doch nicht, dass ich allein im Lager rumhocken will? Die anderen haben schließlich alle zu tun.«
    Das stimmte. Nach einer unruhigen Nacht – niemand hatte nach dem Video, das Henry auf der Digicam gefunden hatte,

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