Schummeln fuer die Liebe
Veronika neuerdings immer um Julian herumschleicht. Und überSophie, Julians Freundin, die darüber so wahnsinnig eifersüchtig ist, dass Julian total genervt ist. Dann quatschen wir von der Haferkamp und ihrem scheußlichen Englischunterricht, von der Mathearbeit, die wir übermorgen schreiben, und von der Aufführung übernächste Woche. Es ist wie in alten Zeiten. Bis auf die Tatsache, dass ich die ganze Zeit ein saublödes Gefühl in der Magengrube habe. Auch als ich schon auf dem Heimweg bin, geht das blöde Gefühl nicht weg. Warum habe ich die Gelegenheit nicht genutzt und Teresa alles erzählt?
Warum, warum, warum?
A very very nice boy
Die Mathearbeit war nicht annähernd so eine Katastrophe wie die Englischarbeit. Ich glaube, ich war sogar richtig gut. Deshalb ist meine Laune auch bestens, als ich mittags nach Hause komme. Ich schmeiße meine Tasche in die Ecke und flitze in die Küche.
»Ich habe so einen Hunger«, rufe ich. »Ich könnte einen gebratenen Ochsen vertilgen. Als Vorspeise!«
Mum lächelt mir zu. Und dann rutscht mir das Herz in die Hose. Am Küchentisch sitzen meine Schwester Antonia und … Baxter! Nur Baxter. Kein Flo, keine Tiki, überhaupt niemand von der Familie Stadler.
»Baxter isst heute Mittag mit uns. Stadlers sind schon vor einer Stunde nach Frankfurt gefahren. Zum Kieferorthopäden.«
Uaaah! Kann man mir so was nicht früher sagen, damit ich mich drauf vorbereiten kann? Ich gucke an mir runter. Oh Shit, wieso trage ich heute dieses Baby- T-Shirt ? Himmelblau! Total unterirdisch.
»Hey, Lini!«
, sagt Baxter.
»Deine Mum macht Pickelsteiner Eintopf. Schmeckt das gut oder will sie mir vergiften?«
Er grinst meine Mutter freundlich an. Mum muss lachen. Baxters Charme kann man einfach nicht widerstehen.
Auch meine kleine Schwester nicht, die ihm das Ohr vollplappert. Alle Schulfreundinnen tauchen in ihrem Gesabbel auf: »Und dann hat Laura gesagt … und dann hab ich gesagt … und Fabienne hat gesagt … und …« Dabei würde sogar mir wirr im Kopf. Aber Baxter hört aufmerksam zu und lässt sich nichts anmerken.
»Wie lange dauert’s noch?«, frage ich.
Mum hebt den Topfdeckel. »Fünf Minuten, schätze ich!«
Das reicht! Ich renne schnell nach oben und greife mir ein anderes T-Shirt . Das schwarze ist ganz okay. Oder das neue aus Sues Laden? Nee, heute nicht. Ich stülpe das schwarze T-Shirt über den Kopf und gehe die Treppe runter. Vor dem Bad bremse ich ab. Bin ich denn von allen guten Geistern verlassen? Auffälliger kann man sich wohl kaum benehmen. Also zische ich wieder nach oben. Hastig rupfe ich das schwarze runter und ziehe diese himmelblaue Katastrophe wieder an. Dann prüfe ich kurz meine Haare. Wunderbar. Ein Glück, dass ich sie heute Morgen gewaschen habe. Etwas außer Atem komme ich unten an.
»Hilfst du mir beim Tischdecken?«, frage ich Antonia, die noch immer am Plappern ist. Wenn die so weitermacht, traut sich Baxter nie mehr über unsere Schwelle.
Beim Essen fragt Mum ihn über seine neue Schule aus. Ich brauche bloß dabeizusitzen und ihm zuzuhören.
Ob in seiner Klasse wohl Mädchen sind, die ihm gefallen? Bloß nicht dran denken.
»Ich muss gleich noch mal ins Büro!«, sagt Mum auf einmal. »Antonia bringe ich vorher bei Bergers vorbei. Kannst du dich ein bisschen um Baxter kümmern? Stadlers kommen sicher erst am Abend zurück.«
Ich schlucke. »Klar!«, sage ich und bin froh, dass ich wenigstens dieses Wort rauskriege. Eigentlich sollte ich mich freuen. Baxter einen ganzen Nachmittag für mich alleine, davon hätte ich nicht mal zu träumen gewagt. Aber jetzt schiebe ich bloß Panik.
»Nice!«
, sagt Baxter.
»Was werden wir tun! Wirst du mir zeigen deine Zimmer? Florentin hat zu mir erzählt von deine Stainesammlung. Sagt man so?«
Ich nicke und fange an, mich etwas zu entspannen. Ich zeige ihm einfach meine Steinsammlung, das ist doch schon mal ein Anfang.
Trotzdem ist es ein saublödes Gefühl, als die Haustür hinter Mum und Antonia zuschlägt. In meinem Magen tobt ein ganzer Wespenschwarm. Meine Fingerspitzen sind so kalt wie tiefgefrorener Spargel. Wir räumen zusammen die Spülmaschine ein. Sobald er dicht in meine Nähe kommt, fange ich an zu zittern. Wieso ist bloß alles, was mit Liebe zu tun hat, so anstrengend? Und das ist Liebe, da bin ich mir sicher. Dagegen war das mit Flo Babykram. Echt!
Die Steinsammlung interessiert Baxter nur am Rande. Als er in mein Zimmer kommt, ist er erst mal ganz entzückt
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