Schummeln fuer die Liebe
Ellbogenschützer wieder in ihren Beutel stecken. Ichnicke bloß und ich sage nicht, dass wir die Inliner erst mal zu Hause abladen können. Am Ende ist Flo schon zurück oder Teresa steht auf der Matte oder sonst irgendetwas passiert, das diesem schönen Nachmittag ein Ende macht. Also schleppen wir den ganzen Kram mit zu Roberto.
Wir trinken nicht nur eine Coke, sondern zwei. Man kann schließlich nicht ewig bei einem Getränk hocken. Denn wir sitzen wirklich ewig, weil wir quatschen und quatschen. Ich habe Baxter gefragt, wie es für ihn ist, so ganz alleine hier zu sein, ohne seine Familie und ohne seine englischen Freunde. Und er gibt tatsächlich zu, dass es manchmal schwer für ihn ist, dass er Mum und Dad und sogar seine kleine Schwester vermisst. Er erzählt, dass er Schiss hatte hierherzukommen, weil er seine Verwandten kaum kannte. Er hatte sie vorher nur ein paarmal kurz gesehen. Einmal, als sie in England zu Besuch waren, aber da war er selbst noch ziemlich klein. Und zwei-, dreimal auf einem Familienfest in Heidelberg bei Oma und Opa. Es ist witzig, dass Flos Lieblingsoma auch die Oma von Baxter ist. Sie ist noch vor Tikis Geburt mit ihrem Mann nach Heidelberg gezogen, aber als Flo klein war, war sie noch hier und hat oft auf ihn aufgepasst.
Baxter guckt mich mit seinen blauen Augen an und lächelt.
»Ick hatte große Angst, really, when I came here. But wenn ick hiergekommen bin, da war Flo, Aunt Renate and Uncle Wolfgang and little Tiki. They are very nice people, you know.«
Er macht eine Pause, so als versucheer, wieder ins Deutsche zurückzufinden.
»Und es ist es sehr schön für mir, zu treffen Lini in Nachbarhaus, really.«
Er beugt sich zu mir rüber und streicht mit dem Zeigefinger über meinen Handrücken, ganz zart. So als wollte er mir ein unsichtbares Stäubchen wegwischen.
Ich räuspere mich und sage leise: »Ich finde es auch
nice
, dich im Nachbarhaus zu treffen, Baxter!« Ich lächle und erwarte eigentlich einen seiner witzigen Sprüche.
Aber er sagt gar nichts. Seine Nasenspitze ist nur noch einen Hauch von meiner entfernt und dann sagt er doch etwas. Etwas, das er heute schon einmal gesagt hat.
»You’re a nice girl, Lini!«
Wie bringt man einen Schweizer um die Ecke?
Oh Mann! Ich muss diesen Raoul loswerden. So schnell wie möglich. Zu Hause hänge ich als Erstes das Foto ab. Ich will es schon zerreißen, aber das hat er eigentlich nicht verdient. Ich lege das Bild in mein Tagebuch. Irgendwann muss ich das ganze Chaos mal aufschreiben. Mein Tagebuch, pfff, bis jetzt ist es vollgeschrieben mit Naturbeobachtungen von Flo und mir. Ein bisschen was steht auch über Teresa, die Schule, den Eissportverein und ein paar andere Sachen drin. Seit dieser ganze Wahnsinn mit der Liebe angefangen hat, habe ich keine Zeile mehr geschrieben.
Unten im Haus rumort meine Familie. Ich höre das Telefon klingeln. Aber das geht mich im Moment nichts an. Mein »Bitte nicht stören! Ich lerne!«-Schild hängt an der Tür. Das ist das Einzige, was alle davon abhält, ständig bei mir reinzustürzen. Und das kann ich jetzt echt nicht gebrauchen. Ich muss mir einen genauen Schlachtplan zurechtlegen, wie ich Raoul aus meinem Leben entferne, ohne dass irgendjemand merkt, dass er bloß eine einzige große Lüge ist.
Wie werde ich Raoul Winterstein los?
Möglichkeit eins:
Ich mache mit ihm Schluss!
Und dann? Wie erkläre ich den anderen, dass diese » große Liebe« so plötzlich aufgehört hat? Die halten mich ja für komplett verrückt. Obwohl, das könnte ich vielleicht gerade noch aushalten. Aber ich will auf keinen Fall, dass auch Baxter mich für verrückt hält. Oder noch schlimmer: Er könnte denken, ich mache wegen ihm mit Raoul Schluss. Das wäre mein Tod.
Möglichkeit zwei:
Raoul macht mit mir Schluss.
Das ist auch blöd. Dann müsste ich einen Liebeskummer vorspielen, der sich gewaschen hat. Und das schaffe ich nicht. Nicht, wenn Baxter dauernd in der Nähe ist.
Möglichkeit drei:
Er kommt bei einem Autounfall ums Leben!
Käse! Dann wird es ja noch schlimmer.
Möglichkeit vier:
Seine Eltern verbieten ihm jeglichen Kontakt zu mir.
Auch blöd. Siehe oben!!!
Wie ich es auch drehe und wende, auf die schnelle Art kriege ich ihn nicht los. Das muss ich ganz langsam vorbereiten. Und ich fange bei Teresa an. Wenn sie es weiß, weiß es sowieso bald jeder und ich muss nicht mehr groß was tun. Gleich morgen in der Schule lege ich los.
Ich werde seufzen, ganz
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