Schummeln fuer die Liebe
»Ich habe manchmal ein bisschen viel Schwung drauf.« Ich schüttle den Kopf,als sei ich selbst total überrascht. Dann bücke ich mich, hebe das Blumengesteck auf und drücke es der verdutzten Renate in die Hand.
»Na, dann will ich mal! Wir wollen uns heute einen Film angucken:
Corpse Bride
von Tim Burton. Der ist echt gut, müsst ihr euch auch anschauen.« Jetzt fang ich auch noch an, blöd zu kichern. Oh Gott! Wie soll ich hier bloß einen Abgang schaffen? Bis zur Küchentür sind es nur ein paar Schritte. Das kann doch nicht so schwer sein. Eins, zwei, drei, geschafft! Ich lächle in die Runde und schiebe meine Freunde die Treppe hoch. Dann drehe ich mich noch mal um und verschließe mit dem Zeigefinger meinen Mund, dabei gucke ich Papa so durchdringend an, wie ich nur kann. Keine Ahnung, ob’s wirkt. Man kann nur das Beste hoffen.
»Was ist denn mit dir los?«, fragt Teresa auf der Treppe.
Ich zucke die Achseln. »Das muss an der langen Autofahrt liegen. Da werde ich immer total zappelig!«
Zum Glück ist der Film so gut, dass niemand mehr Lust hat, von meinem Missgeschick anzufangen.
Wir sitzen auf den Polstern unter Flos Hochbett. Links von mir ist Teresa und rechts von mir: Baxter! Das einzige Licht kommt vom Bildschirm des PCs, auf dem die DVD läuft. Auf Teresas anderer Seite sitzt Johann und dann kommt Flo. Blöd, da hat sie nicht aufgepasst. Bestimmt hätte sie lieber neben Flo gesessen. Aber das ist echt nicht mein Problem. Ich sitze genau richtig. Baxter hat sich neben mir ausgestreckt.Er lehnt mit dem Rücken an einem dicken Kissen, die langen Beine hängen über den Rand der Matratze und der olle Plüschbär Heinrich sitzt auf seinem Bauch.
»Mach dich nicht so breit!«, sage ich freundlich. Er guckt mich fragend an. »Das Kissen!«, sage ich. »Es reicht für uns beide.«
Oh, wie peinlich! Ist das echt Lene Lohmaier, die da spricht? Wo nehme ich bloß den Mut her? Aber Baxter scheint nichts dabei zu finden. Gemütlich grunzend rückt er ein Stück zur Seite, damit ich mich auch anlehnen kann. Und wie ich mich anlehne. Unsere Schultern berühren sich und ein bisschen auch die Oberschenkel. Zum Glück ist der Film ziemlich laut, sonst würde man garantiert mein Herz rasen hören. Patam, patam, patam … Wie oft im Leben kann man eigentlich verliebt sein, ohne einen Herzinfarkt zu bekommen? Und was wäre, wenn Baxter statt dem Plüschbären mich im Arm halten würde? Ich schlucke. Dann wäre der Herzinfarkt jetzt schon fällig. Da bin ich mir sicher. Vorsichtig schiele ich zu ihm rüber. Ganz gebannt folgt er dem Film. Wir gucken ihn auf Deutsch, da muss er sich garantiert wahnsinnig konzentrieren. So ernst habe ich ihn noch nie gesehen. Mir hat ja als Erstes sein Grinsen gefallen, bei dem man diese goldige Lücke zwischen den Schneidezähnen sehen kann. Aber der ernste Baxter verwandelt mein Innenleben erst recht in Pudding. Vorsichtig lasse ich meine Hand über das Polster gleiten. Einen Millimeter und noch einen Millimeter und noch einen Millimeter. Gleich berühre ich Baxters Hand.
Ja, bin ich denn bescheuert? Ich zucke zurück. Hat jemand was gemerkt? Ein Blick zu Teresa. Nein! Ein Seitenblick auf Baxter. Er folgt immer noch dem Film. Puh! Das ging noch mal gut. Ich will mich gerade entspannen, da guckt er zu mir rüber. Wir sehen uns voll in die Augen.
»Ist toll, nicht?«, sage ich hastig. »Ich meine, der Film.«
»Great!«
, sagt Baxter, lächelt und dreht sich wieder weg. Oh Mann!
Ich bring es dann doch noch fertig, der Handlung zu folgen. Was soll ich auch sonst tun?
Als Flo den PC runterfährt, bin ich einen Moment lang nicht auf der Hut und schon haben wir den Salat. Wir unterhalten uns noch über den Film und es ist ausgerechnet Flo, der von dieser treuen Liebe von Victor zu seiner Emily anfängt. Und dann sagt er: »Das ist genau wie bei Lene und diesem Raoul!«
»Raoul?«
, fragt Baxter. Bis jetzt hat Teresa also nichts erzählt, aber das ist nun auch schon egal.
»Ja, Lenes Freund. Sie hat ihn im Urlaub kennengelernt. Ganz große Liebe, du weißt schon …« Er schneidet eine alberne Grimasse, um zu zeigen, dass er das Ganze nicht ernst nimmt.
Als wenn das noch nicht schlimm genug wäre, müssen ausgerechnet jetzt die beiden Kröten ins Zimmer kommen.
»Lene ist in Raoul verliebt! Lene ist in Raoul verliebt!«, singt Tiki.
Und meine liebe Schwester kräht mit einem entzückenden Augenaufschlag in Baxters Richtung: »Sie hat ein Foto von ihm. Das hängt
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