Schurken machen Krawall
Barbara stand vor der Couch und stopfte gerade ihr Superheldenkostüm in eine große Tüte – und zwar in Unterwäsche! Sie schrie auf.
„Hey, anklopfen!“, brüllte sie, schnappte sich ihre Bettdecke und wickelte sich darin ein. In Unterhose und Unterhemd hatte ich sie noch nie gesehen. Ich bekam einen knallroten Kopf und konnte einfach nicht anders, als sie anzustarren. So als wäre sie ein Superschurke, ein Zombie oder eben ein Mädchen in Unterwäsche.
„Ähühähöööhähööö Rimmselbims“, stammelte ich, während Barbara mit den Armen fuchtelte. Ich ging langsam rückwärts. An der Tür suchte ich hektisch den Türknauf hinter mir. Ich öffnete die Tür und marschierte in den Flur. Ein Fehler, wie sich schnell, scheppernd und klirrend herausstellte. Da auch Superhelden nur selten Augen im Hinterkopf haben, bemerkte ich Barbaras Mutter nicht, die gerade unser Abendbrot auf einem großen Tablett ins Zimmer tragen wollte. Jetzt lag das ganze Zeug auf dem Boden.
„Cool, Zimmerservice“, sagte ich und lächelte, so nett ich konnte.
Barbaras Mutter atmete tief durch, verdrehte die Augen himmelwärts und suchte die Decke ab. Wahrscheinlich nach einem Loch, durch das sie mich aus dem Haus schießen konnte.
Sie drückte mir das leere Tablett in die Hand, sagte: „Guten Appetit“, drehte sich um und verschwand.
Barbara kam auf den Flur. Mit Jogginghose und T-Shirt bekleidet sah sie Gott sei Dank wieder aus wie mein Kumpel Barbara und nicht wie das Mädchen Barbara.
„Was war das für ein Lärm?“, fragte sie. Ich zeigte auf unser Abendbrot. Auf die Brotscheiben, die Gürkchen, die Wurst, die Tomaten und den Käse, die gemeinsam in einer Suppe aus Tee im Flur herumschwammen.
„Oh Mann. Meine Mutter liebt den Teppich“, sagte Barbara und fiel auf die Knie, um unser Abendbrot wieder aufs Tablett zu schaufeln. „Los, hilf mir, bevor Martin das sieht.“
Ich hockte mich neben sie und schob die Gewürzgurken und ein paar geviertelte Tomaten auf das Tablett. Dabei musste ich die ganze Zeit daran denken, dass ich den geliebten Teppich bereits dreimal versaut hatte und dass ich mich von nun an mächtig ins Zeug legen musste, um Barbaras Mutter davon zu überzeugen, dass ich kein Schurke und auch kein schlechter Freund für Barbara war.
Wir trugen die Überreste ins Zimmer und begannen zu retten, was zu retten war. Wir pusteten Fusseln von der Wurst, wischten Krümel vom Käse und kippten die Reste des Tees in die Tassen, die nicht zu Bruch gegangen waren.
Als Martin frisch geduscht und im Pyjama aus dem Bad kam, sah unser Abendbrot schon wieder ganz manierlich aus. Nichts ließ darauf schließen, dass es eben noch auf dem Boden rumgelegen hatte.
Martin bemerkte nichts. Er ging zum Glück davon aus, dass unser eher kümmerliches Abendbrot die Strafe für unsere Verspätung war. Wenn er kapiert hätte, dass er etwas gegessen hatte, was schon mal auf dem Boden lag, wäre der Alarm groß gewesen.
Der Katzenstreu-Baron
Am nächsten Morgen ging ich mit Barbara zur Garage. Wir wollten Baumaterial und eine Schubkarre für unser Baumhaus holen.
Die Garage, die sich rechts ans Haus gekuschelt hatte, war so groß, dass man da locker mit unserem ganzen Haus hätte reinfahren können. Wenn unser Haus denn Räder hätte. Aber das hatte es ja nicht, weil meine Mutter einfach nicht an meine Ideen glaubt.
„Bist du wahnsinnig geworden?“, hatte sie, die alte Wohnmobil-Feindin, mich angeschrien. „Hör auf, unser Haus mit dem Hammer zu bearbeiten!“ Dann hatte sie mir erst den Hammer, dann die Säge und zum Schluss sogar die alten Autoreifen abgenommen, die ich mir vom Schrottplatz besorgt hatte. Und aus war der Traum vom fahrenden Haus. Vom Nie-mehr-entscheiden-Müssen, was man zu Hause lässt und was mit in den Urlaub darf. Vom Woanders- und doch Zu-Hause-Sein.
Statt im eigenen Bett fantastisch zu schlafen, musste ich weiterhin in quietschenden, unbequemen Klappbetten rumliegen, die die Blödmänner vom Hotel immer ins Zimmer meiner Eltern stellten, statt in die Küche, den Flur oder ins Hallenbad.
Barbara nahm ein kleines Gerät in die Hand, drückte auf einen Knopf und das riesige Rolltor der Garage ging auf.
Die Schubkarre stand ganz hinten und davor parkten ganz viele ganz furchtbar alte Autos. Solche ohne Dach, aber dafür mit lustigen Scheinwerfern, die so aussahen wie Omas Nachttischlampe. Wahrscheinlich brauchten die Fahrer von damals so große Lampen, um rechtzeitig reagieren zu können, falls
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