Schussfahrt
Meinet Sie, diese Barbaren
hätten meinem Mann sein Engagement gedankt? Erst gestern habet diese dumpfen
Bauernschädel wieder mal ihren IQ bewiesen. Sie verstehen unsere Visionen doch net.«
»Und was war
gestern, gnädige Frau?«
»Na, es ging um das
Event Castle, was sonst!« Sie schaute Volker Reiber an, als müsste das ja nun
wirklich jeder wissen, und dann brach aus ihr die ganze Geschichte heraus. »Und
dieser grauenvolle Biologielehrer, dieser Rascher, der hat meinen Mann bedroht,
tätlich angegriffen hat er ihn. Es war entsetzlich, gell!« Frau Rümmele
verdrehte die Augen zur Decke, an der kleine Lichtpunkte in Blau und Gelb
blitzten. »Grauenvoll! Barbarisch, gell!«, wiederholte sie. Sie redete jetzt nur
noch mit Volker Reiber.
Gerhard beobachtete
genau, wie er strahlte: Die üblichen Verdächtigen für Reiber. Denise Rümmele
fuhr fort: »Und diese Kennerknecht ist doch auch nur ein williger Spielball in
den Händen der Naturschützer, gell! Meinet Sie, die hätte eingegriffen? Die
stecken alle unter einer Decke, das sag ich Ihnen. Die haben meinen Mann
gehasst.«
Gerhard kochte
innerlich. Volker notierte eifrig. »Frau Doktor Kennerknecht mochte Ihren Mann
also nicht besonders?«
»Doktor!« Denise
Rümmele schnaubte. »Wofür die einen Doktor hat, wüsst ich gern. So ein
niveauloses Frauenzimmer, in Stilfragen völlig in … inkom … inkompatibel! So
jemand ist doch kein Aushängeschild, gell! Etzdala saget Sie selbst: Würden Sie
dort Urlaub machen, wo die Tourismusvertreterin nach Stall stinkt? Ich bitte
Sie, des geht doch net.«
»Frau Rümmele, wäre
es denkbar, dass Frau Kennerknecht Ihren Mann ermordet hat? Wegen des Event
Castle beispielsweise?«
Denise Rümmele
überlegte, und eine unvorteilhafte Längsfalte grub sich in ihre spitze Nase.
»Ha, eigentlich net, aber dieser Rascher, das ist ein gewalttätiger Mensch.«
Um von Jo und
Rascher abzulenken, mischte sich Gerhard ein: »Frau Rümmele, gibt es denn noch
andere Menschen, die Grund gehabt hätten, Ihren Mann zu ermorden?«
Sie sah Gerhard
verächtlich an. »Hanoi, sehen Sie sich doch mal in der Lokalpresse um, diese
Journaille! Das sind doch auch nur Schmierfinken, und dann ist da noch dieser
Georg Obermaier, der uns den Prozess angehängt hat. Also, der ist ja auch -«
»Sie haben einen
Prozess erwähnt?«, unterbrach Volker Reiber und flötete geradezu.
»Ja! Stellet Sie
sich vor, da kauft mein Mann aus reiner Nächstenliebe der alten Frau Obermaier
ihre baufällige Hütte ab. Etzdala hat sie eine schnuckelige, kleine Wohnung,
und ihr nichtsnutziger Enkel verklagt meinen Mann, weil er sie angeblich
übervorteilt hätte.«
Volker Reiber
notierte noch immer fleißig. Frau Rümmele war entschwebt, um die Prozessakten
zu suchen. Reiber wirkte zufrieden. »Na, da wird die Lösung des Falls ja nicht lange auf sich warten lassen. Das alles ist ja eklatant.«
Eklatant – ein
schönes Wort dafür, dass Gerhards beste Freunde – und zu denen zählte er Jo und
Georg Obermaier – in der Klemme saßen und Peter Rascher, sollte es nach Reiber
gehen, sowieso schon mit einem Fuß im Knast stand. Gerhard hielt das alles
nicht mehr aus, er fühlte sich gebeutelt und zermürbt und erhob sich wie ein
uralter Mann. Das hatte aber auch ganz handfeste Gründe: Das Designerteil aus
Chromstäben war ja unter Umständen schick, aber ein absoluter
Bandscheiben-Killer. Außerdem war es in der Rümmelschen Empfangskathedrale
kalt. Er fröstelte und schlenderte zum Fenster.
Die Aussicht war
toll, und die letzten Sonnenstrahlen spielten auf einem amerikanischen Pick-up.
Ein Chevrolet GMC 1500 mit zweihundert PS und einer 6,5 - Liter-Dieselmaschine, dazu Bullenfänger
und Zusatzleuchten auf dem Dach. OA-HJ -666.
Gerhard drehte sich
zu Denise Rümmele um, die gerade mit einem Ordner unter dem Arm halleneinwärts
die Hüften schwang und zu einem »Sodele, da hab ich …« anhob.
Er unterbrach sie: »Frau Rümmele, wenn Ihr Mann, wie Sie sagten, gestern in der Frühe mit dem
Wagen aufgebrochen ist, wieso steht das bescheidene Fahrzeug Ihres Gatten dann
vor der Tür?«
Volker Reiber fuhr
herum, Denise Rümmele stieß wieder einen spitzen Schrei aus und ließ den Ordner
fallen.
Sie stürzte zum
Fenster und wurde zum ersten Mal wirklich blass unter der Schminke. »Des kann
net sein, gestern, als es dunkel wurde, war er mit Sicherheit noch nicht da.
Ich habe eigenhändig die Jalousien heruntergelassen, gell!« Sie sagte das
vorwurfsvoll, als sei es eine
Weitere Kostenlose Bücher