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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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geraten, weil sich da diverse Paten
beteiligt hatten. Jedenfalls hatte Jo das kleine verschnupfte und halb
verhungerte Bauernhof-Elend aufgepäppelt.
    »Eigentlich kann ich
keine Katze brauchen«, hatte sie ihrer Nachbarin erzählt. Die hatte gegrinst: »Na, aber die dich!«
    Nach einigen Tagen
hatte sich dann ein Schwan aus dem hässlichen Entlein zu entfalten begonnen.
Dichtes Langhaarkleid, ein adretter Renaissance-Pelzkragen um den Hals und eine
absolut gleichmäßige Zeichnung traten hervor. Mümmi war eine
Black-and-White-Beauty, was aber ihre Abstammung nicht wirklich besser machte.
Aber das schien sie nicht zu vergrämen. Eine echte Diva war, ist und bleibt
eine Diva, auch wenn das Leben mal ungnädig war!
    Mümmi blickte zur
Tür, wo ihr Sohn Herr Moebius sich erst mal herzhaft streckte. Er war zu einem
stattlichen Kater herangewachsen, der rein optisch keinerlei Rückschlüsse auf
das Erbgut des Vaters zuließ. Er hatte Mamas edles Langhaar geerbt, den Schwanz
noch puschliger, die Zeichnung schwarz-weiß.
    »Fauler Sack, du
hast wohl wieder den ganzen schönen Tag verschlafen.« Jo zog ihn am
Puschelschwanz.
    Moebi schaute Jo
strafend an, gab ein quiekendes Geräusch von sich, sauste in den Flur und legte
ihr als Gegenbeweis einen zerrupften Vogel auf die Füße.
    Jo stöhnte: »Unseliger Kater!« und grummelte dann etwas von »Glück gehabt, dass Winter
ist«. Im Sommer nämlich brachte Moebius gern Beute aus dem weiten Reich der
Reptilien vorbei: Frösche, Kröten, Schlangen oder Eidechsen. Jo lenkte Moebi
mit Katzen-Leckerlis ab, fasste den Vogel mit einem Stück Zeitung und warf ihn
draußen in die Mülltonne. Kalt war es geworden. Jo fröstelte und beschloss, das
Wagnis mit dem Boiler zu starten. Eine halbe Badewanne würde er schon ergeben.
    Jo sparte nicht mit
Schaumbad, hing ihren Gedanken nach und griff schließlich zum Telefon, um
Andrea in Berlin anzurufen. Ihre Telefonate miteinander konnten auch mal
monatelang ausbleiben, aber niemand kannte Jo so gut wie Andrea. Auch wenn sie
sich lange nicht gesprochen hatten, war die Vertrautheit da. Eine Vertrautheit,
die übrig geblieben war von einem Teenieleben mit ständigen Achterbahnfahrten
zwischen verwirrten Gefühlen und endlosen Telefonaten. Und die Eltern hatten in
ihrer besten Rolle geglänzt – durch Abwesenheit. Denkwürdige Partys waren bei
Andrea gefeiert, Eier direkt auf der Herdplatte gebraten worden. Morgens um
fünf waren verquollene Gestalten in den elterlichen Bademänteln aufgetaucht.
Beziehungskrisen waren unter der feixenden Anteilnahme der anderen
durchgehechelt worden.
    Mit akribischem
Eifer hatten Jo und Andrea den Tag danach zum Aufräumen und zum Weiterhecheln
verwendet.
    Andrea ging nach
wenigen Klingeltönen ans Telefon und lauschte dann gespannt Jos Bericht über
den Mordfall. »Na dette is mal ein Ding, aber schade ist es nicht um diesen
Rümmele!«
    Das stimmte, das
musste Jo zugeben. Sie hatte wirklich ihre liebe Not mit Leuten wie Rümmele.
Ein Rümmele hatte sich nie die Mühe gemacht, etwas über die Region zu lernen.
Hatte sich nie gefragt, was die Menschen hier bewegte, hatte die Allgäuer immer
auf die Stufe von Affen gestellt.
    »Weißt du«, sagte Jo
gerade, »Rümmele hat uns hier immer als ›Bergäffle‹ bezeichnet. Äffle, denen
man ab und zu ein Zuckerle reicht. Das war einer seiner verächtlichen
Lieblingswitze. Laut Rümmeles Biologiebuch ist das Allgäuer Bergäffle recht
leicht mit Geld zu ködern – und meistens funktioniert das auch. Leider!« Jo
seufzte. »Wir waren alle so resigniert nach dieser Sitzung, wie gelähmt. Wir
saßen da wie die Überlebenden eines Schiffsbruchs. Stundenlang, wir hätten
längst nach Hause gehen können, aber wir haben uns irgendwie aneinander
klammern wollen. Du kennst ja die meisten: meine Assistentin Patrizia, der
Peter Rascher, Schorschi Obermaier und einige Hoteliers. Wir waren ein
versprengter Haufen Menschen, die alle versuchten, ihre aufgewühlten Seelen zu
beruhigen. Aber da war doch keiner dabei, der Rümmele umbringen würde.«
    Andrea war sich da
nicht so sicher. »Ich kann mich noch erinnern, als wir Rümmele auf der Allgäuer
Festwoche in Kempten getroffen haben. Er hat seine Standardwitze zur
Unterhaltung seiner Stuttgarter Gäste ausgepackt: Die Allgäuer sagen
›Hennapfrupfa‹ für Gänsehaut und ›Heigada‹, wenn sie eine gesellige
Zusammenkunft meinen! Und seine Bekannten rasten vor Lachen. Wir mussten
pflichtschuldigst mitlachen. Selbst ich hätte

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