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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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schickes Appartement in Kemptner
Toplage am Haubenschloss. Im zehnten Stock mit sensationellem Blick über
Kempten. Das steht jetzt leer, die Oma ist zu ihrem Enkel Schorsch, also zu
Georg Obermaier, gezogen.«
    Was Oma Kreszenzia
damals gesagt hatte, das gab Jo nicht wieder, denn das hätte Reiber nicht
verstanden. »I ka it so weit überm Boda wohna, des isch dr Platz vom lieba
Herrgott. Der Mensch muass mit m Boda in Berührung bleibe.« Die Oma war
keineswegs verbittert gewesen. »Wenns der Himmelvattr so wölla hot, am End
geits dia Reachnung, am End goht alls sein gereachta Lauf. Und nochhert isch es
halt so, dass dr Rümmele mit dem Baugrund kui Freud it hon wird.«
    Wie Recht sie gehabt
hatte, die Kreszenzia! Rümmele hatte die Rechnung präsentiert bekommen, und die
war hoch! Jo fror auf einmal in ihrer warmen Küche. Rümmele hatte im Tod so
leise ausgesehen, ganz anders, als er gelebt hatte – laut und polternd.
    Aber wer hatte die
Rechnung aufgemacht? Der ›Himmelvattr‹ jedenfalls nicht, dachte Jo bitter.
Könnte der Schorsch womöglich wirklich zu einem späten Rachefeldzug ausgezogen
sein? Sie konnte und wollte sich das nicht vorstellen. Er war ein Bär, ein
lieber Bär, einer der wenig Wesens von seiner Person machte. Er war
unbestechlich, von nichts und niemandem zu beeindrucken, aber er war sicher mit
dem Gedächtnis eines Elefanten ausgestattet. Jo schluckte erneut.
    Volker Reiber sah
von seinem Stenoblock auf. »Ja, und was war nun mit dem Enkel, diesem Georg
Obermaier, los?«
    Jo fuhr fort: »Das
Fatale war ja, dass er die Vertreibung aus dem Obermaier Obstbaumparadies gar
nicht mitbekommen hat, weil er zu der Zeit in den USA bei der Skifirma Head einen neuen Ski mitentwickelt hat.
Das war für ihn eine ungeheure Ehre, da er sonst nur Servicemann bei Head
gewesen ist.«
    »Servicemann?«
Reiber runzelte die Stirn.
    »Ja, einer, der Ski
von Rennläufern präpariert, und da ist es schon etwas Besonderes, wenn man vom
Head-Office in die Innovationsabteilung berufen wird. Deshalb war er auch fast
vier Monate weg. Als er heimkam, legte die Oma gerade Beete in seinem Garten
an. Sie hatte ja sonst keine Verwandten. Schorsch war logischerweise auf
hundertachtzig. So sorgfältig er sonst Ski wachst und zum Fliegen bringt, so sorgfältig
trug er Fakten zusammen.«
    »Fakten?«
    »Ja, über die
Rechtmäßigkeit des Ganzen, er hatte sogar einen Zeugen, der bestätigen wollte,
dafür bezahlt worden zu sein, die Beete ruiniert zu haben. Der kippte aber am
Prozesstag um. Es gab diesen Prozess, von dem Sie die Akten haben. Schorsch
verlor – denn letztlich war ein rechtskräftiger Verkauf zustande gekommen. Die
Oma war ja wirklich nicht unzurechnungsfähig. Ein Lichtblick schien der
Denkmalschutz zu sein. Der Kreisheimatpfleger bestätigte, dass der Hof und das
Häusl mit handgeschnitzten Schindeln verkleidet seien, die eindeutig aus der
Zeit vor 1850 stammten. Da aber Rümmele den Bauernhof längst abgerissen hatte,
fiel das Austragshäusl auch nicht mehr unter den Ensembleschutz. Rümmele hatte
zwar damals eine Konventionalstrafe wegen des Bauernhofs bezahlt, aber das
nutzte Schorsch und seiner Oma wenig. Das Häusl war verkauft und wurde
abgerissen.«
    »Nun, Frau Doktor,
Sie werden mir doch zustimmen, dass sich das nach einem veritablen Motiv
anhört. Und am Samstag war er auf dem Meeting zugegen, und wahrscheinlich sind
da seine Hassgefühle einfach erneut hochgekocht«, sagte Volker, der inzwischen
lässig die Beine übergeschlagen hatte.
    »Tut mir Leid, aber
das glaube ich nicht.« Jo überlegte. »Außerdem könnten Sie sich Frau Rümmele
auch mal näher ansehen. Die hat die Krone nämlich zwar mit ihrem Mann und
dessen Tross verlassen, aber sie ist mit einem anderen Auto weggefahren. Die
beiden waren mit zwei Autos unterwegs, denn Frau Rümmele weigerte sich, in den
Pick-up einzusteigen. Sie selbst fährt irgendein italienisches Cabrio, Fiat
Barchetta, glaube ich. Ich habe beide Autos auf dem Parkplatz vor der Krone
gesehen.«
    Jo erinnerte sich
gut an eine Szene während der Allgäuer Festwoche im letzten August. Obwohl das
Gelände abgeriegelt gewesen war, hatte es Rümmele geschafft, mit seinem Pick-up
direkt am Weinzelt vorzufahren und einige Saufkumpane aufzuladen. Denise
Rümmele hatte derart getobt wegen des »Hamburgerfresser-Proleten-Fahrzeugs«,
dass halb Kempten nun über die Präferenzen der Frau Rümmele bezüglich des
Fuhrparks Bescheid wusste.
    Volker Reiber
schrieb in feinen kleinen

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