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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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wollte, verstand sich von selbst.
    Und dann war ein
schwarzer Tag gekommen – die Kaffeemaschine war in die ewigen Jagdgründe
eingegangen. Es hatte Filterkaffee mit Milch gegeben, ganz ohne Schaum. Aber
nicht lange! Denn das Heulen und Wehklagen einer Diva, die in ihrem
Lebensrhythmus gestört wurde, zermürbt auch den kernigsten Katzenumsorger. Nun
hatte Mümmi eine neue Maschine, ein Topmodell von Jura, das den Milchschaum
noch perfekter werden ließ. Madame quittierte das mit huldvollem Schlabbern und
sprang dann vom Tisch.
    Jo tauchte zum
wiederholten Mal den Finger in den Milchschaum und hielt ihn den beiden hin.
Eiliges Schlabbern und ein gnädiger Blick: Siehst du, geht doch, du
Dosenöffner, wieso nicht gleich! Nachdem Jo selbst also eher einen Espresso
getrunken hatte, weil der Milchschaum komplett an die Terroristen auf den
weichen Pfoten gegangen war, sie aber immerhin erfolgreich ihr
Aufback-Croissant aus dem Supermarkt verteidigt hatte, läutete es. Um acht in
der Früh, da traute sich jemand was. Wo doch jeder wusste, dass Jo vor zehn Uhr
nur ein ferngesteuerter Zombie war. Na, dieser Dienstagmorgen fing ja gut an!
    Jo schlappte zum
Eingang, stolperte über ihre Reit-Bergschuhe und riss die Tür mit einem Ruck
auf. Die Tür klemmte gern etwas. Umso begeisterter war Jo, als sie in Volker
Reibers strahlendes Antlitz blickte, der heute mal ganz volksnah in
Sportalm-Trachtenjanker, rustikales Hemd von Giesswein und Haferlschuhe
verkleidet war. Nur vom Feinsten! Landhaus-Volker auf der Pirsch!
    »Frau Doktor!« Wie
konnte jemand so früh schon wieder so zackig sein? »Wir müssen da noch mal den
Sonntag Revue passieren lassen.«
    Revue passieren – Jo
kaute an einem Stück Croissant und mümmelte: »Hmm.«
    Reiber setzte sich
zögernd an den Küchentisch.
    Nun ja, Jo war nicht
gerade für ein gepflegtes Ambiente bekannt. Sie hatte ja nie Zeit. Der
Posteingang von mehreren Tagen bildete eine Art schiefen Turm von Pisa. Auf
einem anderen Stuhl stapelten sich Kleidungsstücke. Kaffeebecher und zwei
Weingläser gaben sich ein Stelldichein, ein Stirnband und ein einzelner
Handschuh – den anderen hatte Herr Moebius wahrscheinlich zum Spielen gebraucht
– bedeckten einige Plastikarchive mit Dias für das nächste Prospekt.
    Jo schob den Haufen
etwas enger zusammen. »Wollen Sie einen Kaffee?«
    »Danke, ich trinke
nur Mate-Tee.« Volker Reiber schenkte Jos Küche einen Blick, der besagte: Und
zudem hole ich mir hier wahrscheinlich die Krätze.
    »Damit kann ich nun
nicht dienen.« Jo knallte eine Flasche Mineralwasser und ein semi-sauberes Glas
auf den Tisch.
    »Ich habe den
Obduktionsbescheid vorliegen.« Volker Reibers Augen flammten auf. Donnerwetter,
war der schnell gewesen, der musste im Kemptner Krankenhaus ja wie ein
Berserker unter den Pathologen gewütet haben, dachte Jo.
    »Der Tod dürfte
zwischen halb sechs und sieben eingetreten sein. Sie haben Glück, Sie waren
wohl tatsächlich bis nach neunzehn Uhr im Gasthaus Krone. Der Wirt hat das
bestätigt, Sie hatten ja noch die Rechnung zu bezahlen.«
    »Da bin ich aber
froh, dass ich nicht auch noch der Zechprellerei verdächtigt werde«, sagte Jo.
    »Sehen Sie, es geht
nun darum, festzustellen, wer die Krone wann verlassen hat. Es waren
bekanntlich …«
    Volker Reibers
Stimme erstarb, und für einen Moment trat Fassungslosigkeit in seine sonst so
austrainierten Gesichtszüge. Frau Mümmelmaier war auf seinen Schoß gesprungen
und senkte ihre Nase in das Mineralwasserglas. Sie schaute ihn strafend an: Wieso ist das kein Milchschaum? Volker Reiber starrte retour. Es schien sich um
einen seltenen Fall von Sekundenlähmung zu handeln, denn er rührte sich keinen
Millimeter. Jo stopfte sich die Katze unter den Arm und evakuierte sie nach
draußen.
    »Entschuldigung, sie
ist, äh, immer sehr erfreut, wenn Besuch kommt.« Jo kämpfte mit einem
Lachkrampf, denn Volker Reiber war immer noch wie tiefgefroren. So hat wohl
jeder sein Karma zu tragen, der schöne Volker hatte allen Ernstes Angst vor
Katzen …!
    Langsam kam wieder
Leben in ihn, und – oh Wunder – sein Ton wurde deutlich sanfter. Er hatte Jo
eine Blöße zeigen müssen und schien heilfroh, dass sie die kleine Szene dezent
überging. Sie brachte ihm sogar ein neues Glas.
    »Es waren gegen
sechzehn Uhr noch sechs Personen anwesend: Sie, Ihre Assistentin Patrizia
Lohmeier, Peter Rascher, der Skigeschäftsinhaber und Bergführer Georg
Obermaier, der Wirt vom Gasthof Rössle in Eckarts und der

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