Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
Vom Netzwerk:
Handbewegung bedeutet. Er war »do nauf« gefahren und kam
mit seinem schwarzen BMW nur
schlingernd zum Stehen. Volker fluchte. Vielleicht wäre die Anschaffung von
Winterreifen doch nicht so abwegig gewesen! Dass diese Allgäuer aber auch keine
vernünftigen Straßen und erst recht keine normalen Adressen hatten. Ein Ort
namens Hupprechts und dann nur eine Nummer – das war die ganze Anschrift von
Peter Rascher! Nicht mal Straßennamen hatte das Kaff hier hoch über dem
Niedersonthofner See, und die Nummerierung folgte kaum einer Logik. Volker
fluchte und hatte kaum Augen für den See, der ihm weit unten zu Füßen lag. Der
See war ein Landschaftsjuwel, das sich in einen dichten Waldgürtel schmiegte.
Der Grünten, Hausberg und Wächter des Allgäus, baute sich am Horizont auf. Er
schien ganz nahe gerückt, es herrschte eine typische Föhnstimmung, die ganz
falsche Entfernungen vorgaukelte. Teils war der See noch zugefroren, teils
aufgetaut. Eine Patchworkdecke aus unterschiedlichen Grau- und Blautönen
breitete sich aus.
    Volker steckte in
einer Sackgasse, die nichts erschloss als einen Misthaufen. Er schleuderte
wieder rückwärts und hätte fast ein Huhn überfahren. Der dazugehörige Bauer
schaute lediglich interessiert.
    »Wo wohnt denn Peter
Rascher?«, rief Volker.
    »Do!« Eine vage
Handbewegung deutete auf ein Holzhaus.
    Na klar, das sah
doch biodynamisch aus: Vollholz, Solarzellen am Dach, Birkenstockidylle.
    Umso überraschter
war er, als ihm eine Frau öffnete, die ganz und gar nicht nach Jute und Müsli
aussah. Sie hatte aparte Gesichtszüge, trug keine lila Latzhose, sondern ein schickes
kiwifarbenes Twinset zu einer braunen Jeans. Ihr Lächeln war herzlich. »Bitte?«
    »Frau Rascher, nehme
ich an?« Die Frau nickte und machte eine einladende Handbewegung. Volker zückte
seinen Ausweis mit einer schmissigen Bewegung. »Reiber, Mordkommission, ich
muss mit Ihrem Mann sprechen.« Bewusst verzichtete er auf ein »würde gern« oder
ein »bitte«. Er wollte von Anfang an Distanz schaffen.
    Frau Rascher lenkte
ihn in ein gemütliches Zimmer. Bunte Kissen lagen auf dem Holzdielenboden,
ähnlich fröhliche, mexikanisch anmutende Stoffe umschmeichelten raffiniert die
Fenster. Viele grüne Pflanzen umwucherten Peter Raschers Schreibtisch. Er saß
am Computer und sah hoch.
    »Der Herr hier ist
von der Mordkommission und möchte mit dir reden.« Der Satz klang mehr wie eine
Frage.
    Peter Rascher
runzelte die Stirn, wohl mehr aus Überraschung denn aus Unwillen, seine Arbeit
unterbrechen zu müssen.
    Na wenigstens trug
Rascher Birkenstock, dachte Volker. Aber dazu keinen Strickpullover, sondern
ein Hemd und eine Lederhose bis zur Wade, eine Hose, der man ansah, dass
mindestens Raschers Uropa sie schon getragen hatte. Mit seinem dichten Bart
wirkte er wie einer Werbung für Milka entsprungen, nur viel intellektueller. Er
strahlte eine ungeheure Souveränität aus. Volker war auf der Hut. Pfiffige
graue Augen forderten ihn auf zu sprechen.
    »Sie sollen beim
Event-Castle-Meeting Herrn Rümmele bedroht haben!« Volker versuchte, seiner
Stimme einen aggressiven Klang zu geben. Das schien an Rascher abzuprallen,
denn der begann polternd zu lachen.
    »Klar, keine Frage,
den hab ich jeden zweiten Tag bedroht. Das ist die einzige Sprache, die so
einer versteht, und ehrlich: Mir macht das Spaß. Ist gut für die
Seelenreinigung.«
    Seine Frau lachte
herzhaft mit.
    Volker straffte
sich. »Ihre Seelenreinigung in Ehren, aber Herr Rümmele ist tot. Sie waren seit
Jahren sein schärfster Gegner. Wo waren Sie, nachdem Sie die Krone verlassen
hatten?«
    Rascher wurde ernst.
»Ich habe Patrizia, die Assistentin von Frau Kennerknecht, zu Hause abgeliefert
– in Niedersonthofen übrigens – und bin dann selbst nach Hause gefahren. Ich
war gegen …«
    Er schaute seine
Frau an. »Gegen halb sieben etwa warst du da«, ergänzte diese.
    Die beiden wirkten
überhaupt nicht beunruhigt oder ehrfürchtig vor der Polizei, sondern gerade so,
als würden sie ständig solche Gespräche mit den Gesetzeshütern führen.
    Rascher blieb ganz
locker. »Sehen Sie, ich bin über die Jahre bei Naturschutzaktionen immer wieder
in Ungnade gefallen und denunziert worden. Ich habe eine gewisse stoische Ruhe
entwickelt, wenn der Sturm wieder einmal über mich hereinbricht. Also, was kann
ich sonst noch für Sie tun, wo Sie nun wissen, wo ich war?«
    Volker war aus dem
Konzept geraten. »Und Sie waren natürlich den ganzen Tag zu Hause, nicht

Weitere Kostenlose Bücher