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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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müssen.
    Nein, einsam war Jo
dank ihres Zoos wirklich nicht, und verliebt war sie – gottlob, wie sie fand –
auch nicht mehr. Sie war im Sommer aus der Neubauwohnung und vor dem
dazugehörigen antiseptischen Journalisten geflüchtet. Der Mann und das Ambiente
waren letztlich ein Irrtum gewesen. Aber natürlich hatte Jo noch immer am Scheitern
der Beziehung zu knabbern. Schließlich war es ihr erster Versuch gewesen, mit
einem Mann zusammenzuziehen. Männer an Jos Seite waren an sich nichts
Ungewöhnliches, davon hatte sie stets genug gehabt. Aber so dicht an ihrer
Seite – das war für Jos Verhältnisse so, als ob Weihnachten und Ostern
zusammenfielen.
    Sie hatten eine
Wohnung gemietet, und die auch noch in einem sterilen Neubau! Sie hatte die
Banalität geradezu gesucht – mit Marcels netten und langweiligen Freunden über
Familie und den Erwerb einer Immobilie geplaudert. Alles ganz lieb und nett: die Tourismusdirektorin und der stets korrekte Journalist. Es war ihr um
biedermeierliche Heimeligkeit gegangen. Jo hatte sogar für Marcel gekocht. Für
kurze Zeit war sie glücklich gewesen oder so etwas Ähnliches. Sanft zu sich
selbst, sanfter zu anderen, sanfter im Umgang mit ihren eigenen Wünschen. Keine
hochfliegenden Pläne, keine Sinnsuche. Aber das hatte nur kurzzeitig
funktioniert, denn das Mühlrad in ihrer Brust war längst wieder in Gang
gekommen und hatte tiefe Kerben gezogen, die beständig schmerzten.
    Jos Freunde hatten
Marcel dämlich gefunden. Gerhard besonders: »Dieser intellektuelle Schlappsack
mit seinen schwarzen Existentialisten-Rollkragenpullovern. Der hat doch dauernd
einen Trauerrand!« Aus Protest gegenüber den Freunden hatte sich Jo deshalb mit
Marcel in die Zweisamkeit zurückgezogen. Sie hatten intellektuelle Gespräche
geführt, nur noch gute Filme angesehen und gute Bücher gelesen.
    Aber da war sein
Waschzwang – nachdem er beispielsweise unwillig eine Katze hatte anfassen
müssen. Marcel mochte Tiere nicht. Oder nach dem Tanken, diese affektiert
weggespreizten Finger, als würde er an einer unheilbaren Dermatose leiden.
Lächerlich! Oder dieses Kleingeistige, wegen einiger Euro sparen zu wollen,
oder der waidwunde Blick, jedes Mal, wenn Jos Auto zu stottern begonnen hatte.
Jo hatte dann angefangen zu brüllen, und das Schlimmste war, Marcel hatte alles
verstanden. Er pflegte einen salbungsvollen Stil, zwischen Pfarrer und
Psychiater. Und seine gestelzte Art zu sprechen! Dinge »in toto« zu
fotografieren! Ja, konnte dieser Mensch denn nicht sagen: im Ganzen?
    Jo runzelte die
Stirn, als sie diese Szenen in Sekunden auf der inneren Leinwand ablaufen ließ.
Sie war auf Dauer einfach nicht bereit gewesen, Kompromisse zu schließen. Das
Scheitern war bitter gewesen, aber wer gibt so was schon offen zu? Jo kleidete
ihre Verluste gern in humorige Worte – aus Selbstschutz und als Schutzmantel
gegen die drängenden Fragen der anderen.
    Weil die Couch
sowieso belegt war, kroch Jo ins Bett, und es dauerte keine Minute, bis die
Katzen hinterherzogen. Pro Fuß eine Katze, so hatte das Nachtlager auszusehen.
    Gegen sechs Uhr ging
das Brummen los. Andere Katzen schnurren. Moebius nicht, er brummte sonor. Gern
morgens, wenn er den Tag begrüßte! Dann räumte er sehr vorsichtig mit der Pfote
etwaige Kopfkissenzipfel und Bettdecken vom Ohr seines Menschen, bohrte seine
Nase in selbiges und brummte. Das dauerte dann gewöhnlich so lange, bis Jo
aufstand.
    Jo frühstückte an
dem holzdurchwurmten Tisch in ihrer kleinen Küche. Zwei stechende Augenpaare in
Bernstein und Hellgrün fixierten sie – respektive den Cappuccino. Wie jeden
Morgen setzte Jo zu einem Erziehungsversuch an und schubste Herrn Moebius vom
Tisch. Frau Mümmelmaier folgte. Es dauerte etwa drei Sekunden, bis die beiden
Katzen wieder dasaßen und vorwurfsvoll auf den Cappuccino starrten. Als echte
Diva wusste Frau Mümmelmaier schon immer, dass das Leben zu kurz war für
schlechte Getränke. So saß sie jeden Morgen vor der italienischen
Designer-Kaffeemaschine und verlangte ihren Cappuccino. Den Milchschaum bitte
fest, einen Hauch von Illy dazu und das Ganze dann aber bitte nicht aus einer
profanen Schale am Boden, sondern vom Finger. Das war ja wohl das Mindeste,
wenn man sich schon einen Menschen hielt, dass der den Finger in den
Milchschaum taucht und Portiönchen für Portiönchen der Dame anreicht. Dass sie
dazu ihr entzückendes felliges Hinterteil auf eben jenen Teil der Zeitung
platzierte, den der Mensch gerade lesen

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