Schussfahrt
anrichten konnte. Im
Positiven wie im Negativen, denn ihre Worte hatten in ihrer Position auf einmal
viel mehr Gewicht. Sie musste ihre Taten überdenken, ihre Worte erst recht. Das
war bedrohlich. Nichts, was sie tat, blieb unkommentiert. Wer sich exponiert,
muss mit Reaktionen rechnen, dachte Jo. Binsenweisheiten, aber die machten den
diffizilen Eiertanz um die Lokalpolitik und dieses vermaledeite Event Castle
auch nicht einfacher!
Aber heute –
angesichts eines Mordkommissars, der Angst vor Kleintieren hatte und dadurch
aus der Fassung zu bringen war, befand sich Jo für durchaus akzeptabel.
»Mein unorthodoxes
Leben kann doch auch ein Zeichen von Mut sein? Vom Mut, andere, eigene Wege zu
gehen, oder?«, sagte Jo zu Hrdlicka. Die machte Männchen und legte den Kopf mit
den rabenschwarzen Knopfaugen schief. »An Tagen wie diesem finde ich, dass ich doch
ein ganz netter Kerl bin! Und das Gute daran ist: Solche Tage werden mehr,
jawoll, Frau Hrdlicka.« Die Kaninchendame klopfte mit den Hinterläufen, weniger
aus Zustimmung, sondern eher unwirsch, weil ihr Joghurtdrop noch immer nicht
der Dose entstiegen war. Jo lachte: »Ich geb dir einen, aber dann sagst du
auch, dass ich ein netter Kerl bin.« Frau Hrdlicka klopfte wieder.
Frisch getönt und
gut gelaunt griff Jo zum Telefon und gab Gerhard einen kurzen Bericht von
Reibers Aufritt.
Gerhard lachte: »Das
hat er mir nicht erzählt. Aber immerhin, dass er bei dir gewesen ist und nun
diverse Spuren verfolgt. Na ja, aber sei ehrlich, dein Zoo ist auch eine echte
Herausforderung. Wo sonst haben Tiere so bescheuerte Namen? Katzen heißen
Peterle und Muschi, aber doch nicht Herr Moebius oder Frau Mümmelmaier. Und ein
frei laufendes Kaninchen namens Frau Hrdlicka ist ja wohl auch die Ausgeburt
eines sehr verqueren Hirns. Deine Katzen trinken Cappuccino, dein Kater frisst
Kartoffelchips, und ab und zu steht ein Pferd im Vorgarten. Du hast als Kind zu
viel Pippi Langstrumpf gesehen.«
»Und du zu viel
Derrick, oder wieso wolltest du sonst zur Bullerei? Apropos Bullen: Wie habt
ihr es denn so schnell zu einem Obduktionsbericht gebracht?«
»Hast du das von
unserem Augsburger Schönling?«, wollte Gerhard wissen.
»Hm, er sagte etwas
von einer Todeszeit zwischen siebzehn Uhr dreißig und neunzehn Uhr. Leider
konnte ich weder für Peter Rascher noch für Schorsch ein Alibi bestätigen.«
»Lass dich nicht
täuschen, Volker Reiber ist nicht blöd. Er lässt Markus gerade Denise Rümmele
beschatten. Er hält nicht allzu viel von dem Alibi, das ihr die Hausdame
gegeben hat. Er fand deinen Einwand mit den beiden Autos durchaus
überdenkenswert. Aber jetzt ist er als Erstes losgefahren, um Peter Rascher und
Schorsch zu verhören.«
»Blöder Sack!«,
entfuhr es Jo. »Als ob Schorsch einen Rümmele erschießen würde. Kann der
überhaupt schießen?«
»Keine Ahnung, aber
derjenige, der Rümmele erschossen hat, war mit Sicherheit ein Meisterschütze.
Laut Bericht der Ballistiker ist der Schuss aus einem Mauser Repetiergewehr
abgegeben worden. Kaliber 6,5. Der Schuss kam zwar aus ziemlicher Entfernung,
war aber absolut sauber platziert. Blattschuss! Rümmele muss sofort tot gewesen
sein. Seltsamerweise hatte er auch eine Bänderverletzung am Knie. Dieser junge
Pathologe stand da und kicherte: Wenn er es nicht besser wüsste, würde er
sagen, Rümmele sei Snowboard gefahren und hätte einen Jump schlecht erwischt,
respektive die Landung. Also die haben schon ein Gemüt, diese Leichen-Schnetzler!«
Jo hatte aufmerksam
zugehört. »Und wie geht das nun alles weiter?«
Gerhard klang
genervt: »Wie gesagt, Volker macht Verhöre, und ich habe dem Herrn
Meisterdetektiv heute zur Verfügung zu stehen. Außerdem ist hier jede Menge
Bürokram liegen geblieben. Morgen in der Frühe bin ich eingeteilt in Oberdorf,
die Nachbarn der Rümmeles zu befragen, ob sie etwas gehört oder gesehen haben.
So ein Monster-Pick-up muss ja irgendwie dort vorgefahren sein. Ich ruf dich
morgen im Büro an, wenn sich etwas Neues ergibt.«
»Falsch, ganz
falsch. Ich komme morgen mit. Ich fahre direkt von zu Hause nach Oberdorf.« Jo
war Feuer und Flamme.
»Du kannst nicht
einfach in eine polizeiliche Ermittlung platzen, Jo! Jo?«
Sie hatte längst
aufgelegt. Gerhard stöhnte. Dieses Weib!
6.
Volker Reiber war in
Hupprechts angekommen. Er hatte einige Mühe gehabt, das Nest zu finden, bis er
in Memhölz jemanden nach dem Weg gefragt hatte. »Do nauf«, hatte ihm eine
Bäuerin mit ungenauer
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