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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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verlärnet.«
    »Na ja, das mit der
Rennkarriere liegt etwas zurück, und das Perverse ist ja auch, dass ich vor
lauter Arbeit nicht mehr zum Ski fahren komm. Da erzähl ich allen, wie prima
unsere Skigebiete sind, und selbst komm ich vielleicht zehnmal im Winter auf
den Berg«, sagte Jo lachend.
    »Wenn du au no reita
muascht und sogar Leicha finda, dann hosch freilich kui Zit it«, sagte Seppi.
    »Redet ihr immer
noch über den Rümmele?«
    »Jo mei, do isch so
uiner aus Augschburg do gsi …« Seppis Worte verhallten im Wind.
    »Mei«, echote Jo und
meinte wie zu sich selbst: »Was schon komisch ist, ist die Fundstelle vom
Rümmele, da hinten im Tal.«
    Schweigen.
    »Scho, aber it, wenn
ma Ski ahot«, sagte der Seppi.
    Jos Herz begann zu
rasen, aber sie rief sich zur Räson. Jetzt bloß nicht plappern und den Seppi
verschrecken.
    »Ja mei, Ski?«,
überlegte sie und sah den Seppi an.
    »I muin ja bloß …«
    »Ja?«, fragte Jo
sanft.
    »I muin ja bloß,
weil der Martl am Sonntig mit dem letschta Lift von dr Pischtekontrolle nauf
isch.«
    Jo erstarrte bei dem
Namen. Der Martl! Martin Neuner, Olympia-Abfahrtssieger aus Ofterschwang. Einer
der ganz Großen im Skizirkus. Einer, der sich am Ende der diesjährigen
Weltcup-Saison befand und der eigentlich etwas Gewinnbringenderes zu tun hatte,
als auf seinem Heimatberg Ski zu fahren.
    »Kähl, oder, der war
ganz allui, hot was gsagt, er miass trainiera. Aber doch it im Dunkla«,
ereiferte sich der Seppi.
    Jos Gedanken
überschlugen sich. »Hast du das dem aus Augsburg auch erzählt?«
    Seppi schaute
verdutzt. »Na, wieso, der hot nach dem Herrn Rümmele gefroget, und den hob i it
geseaha.«
    Geliebte Allgäuer!
Geliebter Respekt vor »den Fremden«! Verstockt seien sie. Nein, nur konsequent,
dachte Jo. Auf eine konkrete Frage folgt eine Antwort. Nicht weniger, aber auch
nicht mehr! Jo wäre Seppi am liebsten um den Hals gefallen. Aber sie blieb ganz
cool.
    »Kähl, aber so ein
Star braucht wahrscheinlich einfach mal Ruhe.« Jo tat, als würde sie darüber
nachdenken, und schaute ins malerische Land hinein. Ganz lässig, obwohl ihr
Herz raste.
    »Hm, ka sei, jo mei,
gwiss sogar.« Der Seppi nickte. Jo tippte sich an ihr Baseballkäppi und nahm
den Bügel.
    Der Martl war auf
dem Berg gewesen und der Rümmele auch! Martin Neuner hatte am Sonntag in
Garmisch die Abfahrt bestritten. Rümmele hatte Sonntag in der Früh den Ski
abgeholt, war dann bei dem Event-Castle-Termin gewesen und gegen vier
hinausgerauscht. Das alles passte zeitlich bestens! Beide Männer waren nach
Schließung der Lifte dort aufgetaucht. Der eine war aus Gunzesried, der andere
aus Ofterschwang gekommen. Das hieß doch, dass diese beiden ein Rennen gefahren
waren! Das hieß auch, dass niemand etwas von dem Rennen merken sollte. Aber
warum? Warum trug ein Olympiasieger mit einem Bauunternehmer ein Rennen in der
Dunkelheit aus?
    Jo war ratlos, und
eine gemeine, zerfleischende innere Unruhe meldete sich. Die Zuverlässigkeit
der Unruhe. Martl – sie sagte sich den Namen leise vor. Martl.

11.
    Plötzlich wurde in
Jos Erinnerung der Sommer vor zwei Jahren wieder hellwach. Sie stand hier im
Schnee in Ofterschwang und war in Gedanken beim Schnee auf der anderen
Erdhalbkugel. Als wäre ihr Trip nach Chile gestern gewesen. Jo war zu einem so
genannten »Fam Trip« – »Familarisation«, auch so ein schönes Touristikerwort –
für Touristikdirektoren nach Chile eingeladen worden. Sie sollten die dortigen
Skigebiete und deren Marketing »explorieren«. So stand es jedenfalls auf der
Einladung. Jo war gern bereit zur Exploration in einem so exotischen Land
gewesen.
    Die erste, der sie
davon erzählt hatte, war Andrea gewesen, und Jo hatte ihr damaliges Telefonat
noch im Ohr. Andrea hatte zu lachen begonnen. »Na, das passt ja wieder. Immer
rein in die Exotik. Und jetzt Chile. Ja, das ist weit genug weg für deine
Fluchten!« Andrea hatte gnadenlos wie immer weitergemacht. »So kannst du Marcel
natürlich auch loswerden. Schleichend auslaufen lassen.«
    Wie wahr! Das
Unternehmen Marcel war längst gescheitert, auch wenn Jo noch halbherzig daran
festgehalten hatte. Oder nicht mal halbherzig, höchstens mit einem Viertel
ihres Herzens war sie Marcel noch zugeneigt gewesen. Mit dem Viertel, das die
geistreichen Gespräche liebte.
    »Du mit deinem
Sozialarbeitergeschwätz«, hatte Jo am Telefon gemault.
    »Sei doch mal
ehrlich. Da darf dieser arme Marcel natürlich ruhig kompliziert sein, soweit er
deinen

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