Schussfahrt
war Gerhard: »Hat er sich bei dir gemeldet?«
Jo litt. »Hat er hat
nicht, sonst hätte ich dich sofort angerufen«, zischte sie.
»Lass deine Wut
nicht an mir aus. Ich sage es ja immer, ihr Weiber habt eine Autobahn zwischen
Möse und Herz. Das geht immer fatal aus, ihr könnt einfach nicht objektiv sein.
Es ist jetzt sechs Uhr. Wenn er bis acht Uhr nichts von sich hören lässt, gebe
ich die Fahndung raus! Ich gehe jetzt ins Präsidium.«
Gerhard legte auf,
ohne sich zu verabschieden.
Jo legte das Telefon
auf einen Papierstapel. Ihr Kopf sank auf die Tischplatte. Sie saß lange so da.
Dann hob sie den Kopf. Es blieb nur eins. Sie musste mit Katja Kontakt
aufnehmen. Sie war die Einzige, die etwas wissen konnte. Jo umschlich das
Telefon, hob ab, legte nach drei Ziffern wieder auf.
Schließlich schaffte
sie es. »Hallo, Jo hier. Katja, entschuldige die Störung, aber es ist wirklich
wichtig.« Keine Antwort. »Katja, hallo?«
»Ja, ich bin da.«
Ihre Stimme war klanglos.
»Katja, bitte glaub
mir, dass ich dich wirklich nicht belästigen würde, wenn es anders ginge. Aber
ich muss wissen, wo der Martl ist. Nicht meinetwegen. Es geht um ihn. Er hat
ziemlichen Ärger.«
»Welchen Ärger?«,
fragte Katja.
»Gerhard und ich
wissen von dem Rennen, und du weißt auch davon. Du hast ja wahrscheinlich auch
eine Zeitung und längst gelesen, dass Rümmele tot im Gunzesrieder Tal gefunden
wurde. Mensch, Katja, wir haben jetzt keine Zeit für alte Animositäten. Du
kannst genau wie Gerhard und ich eins und eins zusammenzählen. Martl fährt ein
Rennen mit einem Mann, der heute eine Leiche ist! Katja?« Jos Stimme überschlug
sich.
»Er hat gesagt, sie
seien gar nicht gefahren und dass er von nichts weiß.« Katja klang so
zerbrechlich, so müde.
Jo schluckte. »Ja,
das hat er dir gesagt. Aber er ist gefahren! Er muss zur Polizei. Weißt du, was
das für ihn bedeutet, wenn er einfach verschwindet? Wo ist er, um Gottes
willen?«
»Ich weiß es nicht,
wir haben vor dem Weltcupfinale kurz telefoniert. Ich hab ihm Glück gewünscht.
Seitdem ist sein Handy aus.« Katja klang hilflos.
Jo merkte, dass sie
da nicht weiterkam. »Sei so lieb, wenn er sich meldet, dann überzeug ihn, zur
Polizei zu gehen. Bitte!«
»Ja, sicher. Auf
Wiedersehen, Jo.« Katja hatte aufgelegt.
Jo zog den Hut aus,
blickte an sich herunter. Sie hatte noch immer Martls Skiclub-Pulli an. Sie
strich ihn glatt und streichelte ihn, als sei er eine Verbindung zur Wahrheit.
Sie schaute aus dem Fenster. Es taute und regnete leicht. Wenn die Gondeln
Trauer tragen, dachte Jo und schleppte sich ins Bad. In einer Pappschachtel,
die einst einmal ein Motiv mit Engeln getragen hatte, begann Jo zu wühlen.
Mobilat, ein paar elastische Binden, Heuschnupfentabletten, Aspirin.
Schließlich förderte sie die gesuchten Baldrianpastillen hervor. Jo nahm gleich
vier, um endlich schlafen zu können.
14.
Volker Reiber stand
in einer Wandnische und beobachtete Gerhard, der am Samstagmittag ins Präsidium
gekommen war. Der schien bass erstaunt zu sein. Auf den Gängen wuselten die
Kollegen, und Gerhard gelang es, Markus Holzapfel am Kragen zu packen.
»Was ist hier
eigentlich los? Es ist Samstag!«
Markus schnitt eine
Grimasse. »Witzbold! Der Reiber hält uns, seit du weg bist, auf Trab und in
Atem. Er ist stinksauer auf dich, weil du dich einfach aus dem Staub gemacht
hast. Gerade jetzt …«
»Gerade jetzt?«,
fragte Gerhard.
Bevor Markus noch
etwas sagen konnte, kam Volker aus seiner Deckung hervor. »Welch seltener Gast!
Haben Sie sich verirrt, Herr Weinzirl? Ja, sagen Sie mal, was glauben Sie
eigentlich, wie das hier läuft?«
»Ich musste etwas
recherchieren«, sagte Gerhard ohne jede Regung.
»Recherchieren, na
wunderbar! Sie werden uns sicher noch damit erfreuen, uns gnädigst darüber
Auskunft zu geben. Aber lassen Sie sich ruhig Zeit – so wie das hier ja üblich
ist. Ich hoffe nur, dass ich Sie nicht allzu sehr überfordere, wenn ich Sie mal
davon ins Bild setze, was hier passiert ist.«
Volker Reiber war
derart genervt, dass Markus sich verkrümelte. Gerhard stand hingegen noch immer
da.
»Ja bitte!«,
murmelte er.
»Heute früh ist ein
junger Typ gekommen, der …«, begann Volker.
»… Schorsch
Obermeier entlasten wollte, weil er das Auto retour gefahren und die Jacke
getragen hat, ich weiß.« Gerhard schaute ihn unverwandt an. Volker zuckte
zusammen. Der Punkt ging an diesen vermaledeiten Weinzirl.
»Das wissen Sie? Und
wieso halten Sie eine
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