Schussfahrt
solche Information zurück?« Er war außer sich vor Wut.
»Ich habe nichts
zurückgehalten. Ich wollte dem jungen Mann die Chance geben, sich selbst zu
stellen. Das hat er ja auch getan. Wozu also die Aufregung?«
Volker schnappte
nach Luft. »Na, dann ist es ja sicher in Ihrem Sinn, dass ich diesen Herrn
Moritz Wegscheider festgesetzt habe.«
»Ja um Himmels
willen, wieso denn?«
»Weil Sie doch wohl
zugeben müssen, dass er Zeit, Grund und Potenzial hatte, Herrn Rümmele zu
ermorden. Wieso, muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen, da Sie offenbar bestens
informiert sind, Herr Weinzirl. Jedenfalls befragen wir erneut Leute im Tal,
suchen die Mordwaffe im Bereich des Gasthauses Kamineck – nur falls Sie
interessiert, was an Ihrem Arbeitsplatz vor sich geht.«
Gerhard drehte sich
einfach um und wollte in sein Büro gehen.
Volker polterte
hinter ihm her: »Morgen acht Uhr Lagebesprechung. Ich wäre Ihnen ewig
verbunden, wenn Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beehren würden.«
Gerhard verschwand
durch die Bürotür.
Volker kochte. Wieso
hatte dieser Weinzirl das alles schon gewusst? Der war cleverer, als er gedacht
hatte. Er musste sich eingestehen, dass er mit mit diesen Leuten einfach nicht
klar kam. Die Oberfläche korrespondierte überhaupt nicht mit dem Innenleben.
Das hätten sie ihm auf der Polizeischule beibringen müssen: »Der Allgäuer: Aufzucht und Hege.« Volker verstand diese Bauernschädel einfach nicht. Er
drehte sich um, sein Gang war weit weniger energisch als sonst. Dann zögerte er
und beschloss, noch mal auf Gerhard zuzugehen.
Etwas hielt ihn
davon ab, einfach in das Büro zu stürmen. Die Tür stand einen Spalt breit auf,
und Volker sah Gerhard auf seinen Stuhl sinken. Das Büro mit der grünlichen
Schreibtischplatte und den olivgrünen Metallspinden hatte etwas von einem Kasernenzimmer
– war aber nur halb so aufgeräumt. Neben dem Spind stapelten sich Akten. Der
eigentliche Aktenschrank, ebenfalls in apartem Nato-Oliv, stand offen und war
halb leer. Drei Stühle, deren Platzierung im Raum keinerlei Logik verfolgte,
waren behängt mit diversen Kleidungsstücken. Gerhard hatte zwei Bergposter
leicht schräg an die Wand gepinnt. Was für ein Chaos, dachte Volker und sah zu,
wie Gerhard liebevoll die Nase der Uli-Stein-Maus schnippte. Die Maus wippte.
Der Fall gedieh
allmählich zu einer Scharade, bei der stets ein aktueller Verdächtiger den
vorherigen entlastete. Moritz Wegscheider diesen Bergsteiger-Schorsch, und
wahrscheinlich hatte der Weinzirl noch einen in der Zaubertüte. Jemanden, den
er ihm vorenthielt!
In Gerhards Büro
brannte nur eine kleine Lampe am Waschbecken. Er schien sich vor dem hektischen
Treiben draußen auf den Gängen sozusagen zu ducken und nicht reden zu wollen,
und Volker stand noch immer vor der Tür.
Verdammt, wieso ging
er nicht einfach rein und machte diesem Weinzirl mal so richtig die Hölle heiß?
Wenn er ehrlich zu sich war, deshalb, weil er Gerhard Weinzirl irgendwie
mochte. Gerhard war ein Profi und sicher deshalb Polizist geworden, weil er
diesen Job wirklich liebte. Er war einer, der gegen das negative Image der
Polizei ankämpfte, der lieber mal ein Auge zudrückte. Einer, der Parkvergehen
wirklich nur dann ahndete, wenn einer beispielsweise die Zufahrt einer
Krankenhaus-Ambulanz zuparkte. Er war gerecht, das schätzte Volker, und so
manches Mal hätte er selbst gern diese volksnahe Art gehabt.
Gerhard trommelte
auf dem Tisch herum. Er war augenscheinlich unruhig. Volker glaubte zu wissen,
wieso. Das hatte mit dieser Kennerknecht zu tun. Sie schien Gerhard Weinzirl
sehr wichtig zu sein, und zudem schien er ihrem Instinkt zu vertrauen. Auch er
selbst konnte sich der Ausstrahlung dieser Frau nicht so recht entziehen. Das
hätte er natürlich nie offen zugegeben. Kannte sie den Mörder womöglich? Und
kannte dieser Weinzirl den Mörder? Kannte er ihn selbst vielleicht sogar auch?
Mörder sahen schließlich nie aus wie Mörder, sie waren Familienväter oder
gutaussehende Erfolgsmenschen – oder beides.
Gerhard, dort im
Halbdunkel, starrte auf einige Papiere; Volker zögerte immer noch. Er war
einfach nicht der Typ, der Gerhard jetzt eine Männerfreundschaft hätte anbieten
können. Vielleicht lag er ja ganz falsch, wenn er annahm, Gerhard hätte
Probleme, zwischen Freundschaft und Liebe zu unterscheiden. Er verbrachte aber
augenscheinlich viel Zeit mit dieser Frau Doktor Kennerknecht. War sie die
beste Freundin, der Sportskumpel? Angeblich gab’s das
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