Schussfahrt
gekommen?«, fragte Gerhard.
Martl schaute Jo
entschuldigend an. »Ich habe Katja angerufen. Sie wusste von dem Rennen.«
Seine liebe Katja,
die treue Gattin des treulosen Superstars. Saß da mit ihren drei wirklich süßen
Kindern im Elfenbeinturm. Sie war um den Typen nicht zu beneiden, trotzdem
verspürte Jo einen Stich.
»Und?« Gerhard
fixierte Martl emotionslos.
»Sie war sehr
schnell da, wir sind gefahren«, sagte Martl.
»Wir sind
gefahren!«, äffte Gerhard ihn nach, »und du hast im lockeren Plauderton
erzählt, dass du gerade den toten Rümmele zur angenehmen Nachtruhe an einen
Baum gebettet hast.«
Martl schluckte. »Nein,
ich habe gesagt, ich wäre auf dem Berg gewesen, aber kein Rümmele. Er hätte
mich wohl versetzt. Ich wäre sicherheitshalber mal die Strecke runtergefahren.
Und dass ich nun auch nicht so recht wüsste, wie das mit dem Vertrag
weitergehen sollte.«
»Und das hat sie
geglaubt?« Jos Stimme klang blechern wie eine Gießkanne.
»Ja – wieso nicht?«,
fragte Martl.
Ja, wieso eigentlich
nicht? Katja schien alles zu glauben, was sie glauben wollte und sollte. Sie
hatte ihrem olympischen Liebling ja auch geglaubt, dass er kein Verhältnis mit
Jo habe. Obwohl es offensichtlich war, obwohl es jemand Katja gesteckt hatte.
Sie hatte Jo sogar angerufen und sie zur Rede gestellt. Jo hatte damals Martl
gedeckt. Ihr hatten die beiden kleinen Mädels Leid getan und die hochschwangere
Katja auch, weil sie so etwas wie Solidarität mit ihr fühlte.
Katja sah ihn ja
auch kaum, vielleicht tat er ihr ebenso sehr weh. Entfloh ihr genauso. Wenn er
ging, nahm er alles mit, die ganze Ekstase. Es war, als würde er mit dem
Zuklappen des Deckels seiner Tasche alles zusammenpacken. Wie ein Spuk. Es war
immer so gewesen, als hätte sie nur geträumt. Sie hatte ihm ihren Körper und
ihre Seele zu Füßen gelegt. Er hatte alles eingepackt mit einer gewissen
souveränen Selbstverständlichkeit und zu seinem Timer und dem Handy gesteckt.
Er hatte zweifellos Kraft aus diesen intensiven Begegnungen gezogen – aber auf
Jos Kosten, so als hätte sein Genuss alle Energie aus ihr herausgesaugt. Wieso
in aller Welt hatte er einfach so zur Tagesordnung übergehen können? Vielleicht
war es Katja genauso ergangen!
Gerhard hätte Martl
offensichtlich am liebsten geschüttelt. Jo konnte sich gut vorstellen, dass
diese Selbstgerechtigkeit zu viel für ihn war.
»Das heißt, sie
wusste auch von dem Vertrag?« Gerhard schien sich nur mühsam zu beherrschen.
»Ja, aber natürlich
nur, dass ich da ab und zu zum Essen auftauchen musste. Für Katja war das
schlimm genug, denn ich bin sowieso kaum daheim.«
Er klang lahm.
Halbwahrheiten, kleine Brocken Geschichtsklitterung, um Katja bei Laune zu
halten. Ein hoher Preis, den sie bezahlte, um Heldengattin zu sein.
Gerhard stand auf
und verließ den Raum Richtung Toilette. Er brauchte eine Auszeit. Jo sah
Gerhard in einer Mischung aus Ärger und Verwunderung nach. Seine Fähigkeit,
sich einfach aus der Affäre zu ziehen, machte sie manchmal rasend. Sie hätte so
gern Schmerz oder Wut gesehen – alles war besser als diese unnachgiebige
Selbstbeherrschung.
Zögernd sah sie
Martl ins Gesicht. Sie verfügte nicht über diese Kunst der Selbstbeherrschung.
Jo sprach leise,
aber ihr Tonfall war hart: »Katja tut mir Leid. Du mutest ihr unglaubliche
Dinge zu. Du nimmst alles und gibst ihr nichts zurück. Wahrscheinlich geht es
ihr wie mir. Für wenige Stunden Sex ist alle Emotion, Zärtlichkeit – auch
Aggression und Grenzüberschreitung – erlaubt, aber kaum durchflutet das Licht
des Tages das Zimmer, kaum steht dein wirkliches Leben wieder in Form von
Weckrufen, Faxen, quiekenden Handys breitbeinig im Zimmer, jagst du davon. Auf
zu neuen Abenteuern. Seit es keine Säbelzahntiger mehr zu jagen gibt, werdet
ihr gefährlich am Abgrund entlangrasende Skihelden. Sport ist ein grandioses
Betätigungsfeld für den Steinzeitmann im neuen Gewand. Was bist du bloß für ein
widerlicher Gefühls-Neandertaler!«
Martl schluckte.
»Ich bin dabei, in meinem Leben aufzuräumen. Du hast ja Recht, aber deshalb
wollte ich unbedingt aus dem Vertrag raus.«
Gerhard kam zurück,
gefasst. »Dir ist hoffentlich klar, dass du mitkommen und eine Aussage machen
musst. Die Sache wird mir zu heiß. Der Kollege Reiber wird sich brennend für
die Story interessieren. Er wird sich fragen, wer hat denn nun geschossen: du
oder der Schorsch, oder wart ihr es beide? Oder ganz wer anderer? Und
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