Schussfahrt
haben, ist der
Sennereibesitzer stehen geblieben und hat ihm nach gesehen. Maurer fuhr ein
gelbes Punto-Cabrio, und er ist taleinwärts gefahren. Der Mann ist sich da ganz
sicher.«
Gerhard sah
alarmiert aus, Volker war schon wieder auf der Stuhlkante. »Donnerwetter. Das
nenne ich Neuigkeiten. Sehr gut, Herr Holzapfel, Frau Straßgütl. Sehr gut!«
Markus strahlte und
setzte sich wieder. Setzen: Eins!
Volker entließ die
Runde und bat Gerhard in sein Büro. Er berichtete vom Gespräch mit Patrizia und
Marcel. »Ich hatte eigentlich wirklich den Eindruck, dass dieser Maurer ein
sehr beherrschter, kontrollierter Typ ist.«
»Hmm«, machte
Gerhard, »vielleicht ist das aber genau das Problem.«
»Wie darf ich Sie da
verstehen?«, wollte Volker wissen.
»Nun, Menschen, die
immer beherrscht sind, brauchen auch mal ein Ventil. Das Phänomen Amokläufer«,
meinte Gerhard.
Volker sah ihn
prüfend an. »Was begründet Ihre Ansicht?«
Gerhard schluckte.
»Die Sache ist für mich ein bisschen kompliziert. Wie Ihnen die beiden ja
erklärt haben, war Herr Maurer mal der Freund von Jo. Ich konnte nie wirklich
mit ihm. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber unsere Wellenlänge war nicht zu
vereinbaren. Nur Störgeräusche. Als die beiden sich getrennt haben, war ich
nicht gerade unglücklich. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt etwas
über Marcel sagen soll. Ich bin sozusagen befangen. Vielleicht halten Sie mich
da besser ganz raus. Ich bin da einfach auch privat verwickelt.«
Volker spitzte die
Lippen. »Herr Weinzirl, ich habe den Eindruck, dass in diesen Fall irgendwie
jeder privat verwickelt ist. Das ganze Allgäu ist privat. Ein privater
Sprachcode, private Verbindungen, private Wellenlängen. Um in Ihrem Bild zu
bleiben: Ich höre seit Tagen nur Störgeräusche! Also tun Sie mir bitte den
Gefallen und geben mir eine private Einschätzung von Herrn Maurer ab.«
Volker hatte Gerhard
heute zum zweiten Mal erstaunt, der überrascht sagte: »Gut. Ich halte Marcel
für einen, der diese Kontrolle nur an der Oberfläche lebt. Er ist ein zutiefst
pessimistischer Mensch. Ein kluger Kopf, aber einer, der an der Welt zerbrechen
kann, weil er so viel nachdenkt.«
»Wie passt das aber
mit Patrizia Lohmeier zusammen?«, wunderte sich Volker.
»Das überrascht mich
auch. Patti ist patent, klar im Kopf, eigentlich eine Heilung für die Leiden
des jungen M.« Gerhard lächelte. »Ich mag sie sehr, und ich kann mir gut
vorstellen, dass auch Marcel sie sehr mag. Vielleicht so sehr, dass er für
diese Frau sogar töten würde.«
Volker wiegte den
Kopf. »Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen. Lassen wir Herrn Maurer
herkommen und fragen ihn, weswegen er taleinwärts gefahren ist.«
15.
Jo wachte am Sonntag
erst um halb zehn mit Kreuz- und Kopfschmerzen auf der Couch auf. Moebius
brummte ihr ins Ohr. Er hatte sich die Seele aus dem Leib gebrummt. Was wusste
so ein Kater schon von Baldrian! Weil Jo gar nicht reagieren wollte, zog er ihr
jetzt liebevoll eine halb ausgefahrene Kralle über die Backe. Mümmi lag noch am
Fußende und war mit ihrer Morgentoilette beschäftigt. Frau Hrdlicka pflückte
gerade mit Hingabe die Raufasertapete von der Wand. Sie hatte da ihre eigene
Technik, erst den Holzbestandteil zu kosten, dann das Papier zu filetieren und
in schmalen Streifen abzuziehen. Das tat sie immer in den frühen Morgenstunden.
Verlässlich – wenigstens waren die Tiere eine Konstante in Jos unstetem Leben.
Der Schlaf hatte wenig Linderung gebracht, die gleiche Unruhe brannte noch
immer in ihrem Herzen.
Als das Telefon
läutete, fuhr sie zusammen. Martl! Aber es war Gerhard.
»Hallo, Morgen«,
murmelte Jo, »bevor du fragst, ich weiß nichts Neues.«
»Das dachte ich mir
schon, aber ich weiß was, was Neues, sozusagen.« Gerhard sprach zögernd, so als
würde er seine Worte bereuen.
Jo war schlagartig
hellwach. »Hat sich Martl bei dir gemeldet?«
»Nein, aber es haben
sich neue Spuren ergeben.«
»Gerhard, jetzt werd
mal konkreter. Wovon sprichst du? Wie redest du denn?«
Es entstand eine lange Pause.
»Gerhard …?«
»Ja, ich sage es dir
besser, wie es ist. Du selbst hast ja mit Kreszenzia gesprochen und die
Geschichte vom Baugrund gehört«, begann er.
»Von der du noch
gesagt hast, sie würde unseren schicken Reiber ablenken, und wir sollten lieber
die Idee mit dem Skirennen weiterverfolgen?«, schob Jo hinterher.
»Ja, aber als wir
weg waren, hat Reiber einen Bauherrn aufgetan, der durchaus Grund
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