Schussfahrt
hat er aber
wirklich öfter mal gemacht. Er hat sich sehr für Sternbilder und Astronomie
interessiert«, sagte Jo gedehnt.
»Ja, das passt zu
ihm. Ein Sterngucker in der Dämmerung. Aber an dem Tag hat es geschneit. Frau
Holle war in Höchstform. Von wegen Sterne. Der soll bloß aufpassen, dass er
nicht seine ganz persönliche Götterdämmerung erlebt.« Gerhard hatte sich
offenbar nicht unter Kontrolle.
Jo rang kurz mit
sich, ob sie Gerhard vom Bauern Karl erzählen sollte. Aber sie tat es nicht. Es
lag eine bleierne Müdigkeit über ihrem Herzen. Es war doch sowieso alles egal.
Gerhard quälte sie
weiter. »Was Martl betrifft, so habe ich Reiber noch nichts gesagt. Aber glaub
mir, nicht weil ich ihn schonen will. Dessen Götterdämmerung ist mir ebenfalls
egal. Aber ich habe mich extrem unprofessionell verhalten. Ich will und muss
Reiber ein Ergebnis präsentieren. Sonst bin ich nämlich bei der Götterdämmerung
auch dabei.« Er legte eine kurze Pause ein. »Na ja, jedenfalls dann gute Nacht,
ich dachte nur, es sei fair, wenn du es weißt.«
»Hm, servus!«,
murmelte Jo.
Fair, ja das war er,
der Gerhard, immer gerecht, immer bei allen beliebt, und genau das machte sie
manchmal wahnsinnig! Moebius vollführte auf der Heizung einen Katzenbuckel. Jo
nahm den Kater auf den Arm, eine lebende Fellwärmflasche.
»Kater, du kochst
doch, oder? Deine Eingeweide sind sicher schon gut durch.«
Der Kater wand sich
wie ein Entfesselungskünstler hin und her. Ihm war jetzt nicht nach Liebe – und
weg war er. Mümmi mit Kampfesgebrüll hinterher. Wild fauchend und sich
überkugelnd ging die wilde Hatz in den Keller. Jo grinste. Auch gut, dann
konnte sie das Küchen-Büro für wiedereröffnet erklären. Es half ja nichts, die
Broschüre war immer noch nicht fertig, und im Tourismusbüro würden sie wohl
schon ein Phantombild anfertigen, so selten, wie sie Jo sahen.
Jo arbeitete bis ein
Uhr und ging dann ins Bett. Katzenfrei zunächst, die beiden Mitbewohner kamen
unbemerkt im Lauf der Nacht dazu. Innig ineinander verschlungen.
18.
Als Jo am Montag um
halb acht aufstand, rührten sich die Katzen nicht. Moebi verzichtete sogar mal
aufs Brummen. Heute war er eben zu müde. Tiere waren so klar in ihren Gefühlen.
Erst fauchen, dann schnurren. Streiten und lieben, das durfte binnen Minuten
aufeinanderfolgen. Ungefilterte Emotionen, ohne sich verstellen zu müssen –
wenn das bei Menschen doch auch mal funktionieren könnte!
Jo hatte ihre
Unterlagen in einen Rucksack gesammelt und machte sich auf, ihren Vorschlag für
die Broschüre beim Bürgermeister abzugeben.
Er war nicht da. Jo
war heilfroh, denn dessen »Des hom mir no nia nit wolla«-Flexibilität wäre sie
heute nicht gewachsen gewesen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte die
Vermarktung des Almabtriebs völlig ausgereicht. Da würde man sich auch neue
Fotos sparen, so die Ansicht des Lokalfürsten. »A Kuh isch immer a Kuh.«
Punktum, und dass dann die Leute auf den Fotos mit
Siebziger-Jahre-Kassengestellen und Toupierfrisuren nicht mehr ganz aktuell
waren, dieses Argument verhallte ungehört.
Jo gab die
Unterlagen bei der Sekretärin ab und smalltalkte eine Runde. Ja, ein komisches
Wetter sei das, fast eher schon wie im April. Ja, Ostern würde spät sein dieses
Jahr. Ach wirklich, freut mich, wenn Ihnen mein Blazer gefällt. Ja,
tatsächlich, die Farbe war ja wahnsinnig modern dieses Jahr.
Undsoweiterundsofort.
Jo verabschiedete
sich artig, und plötzlich kam ihr eine Idee. Sie stieg in ihren Justy und fuhr
Richtung Autobahn.
Diese Tage im
Stakkatotempo: eine Überdosis an Gefühlsverwirrung, dafür Schlaf in einer
winzigen Dosis. Herzrasen. Was hätte sie auch tun können? redete sich Jo ein.
Nichts zu tun, war immer die beunruhigendste von Jos Möglichkeiten. Weil sie neugierig
war, eigensinnig und hochgradig ungeduldig, musste sie jetzt einfach etwas tun!
Am Empfang von SAF saß Martha, die hier aushalf, wenn
sie nicht gerade Skikurse gab. Sie scherte sich einen feuchten Kehricht um
Karriere und Co. Martha jobbte immer so viel, dass das Geld für Miete, Auto und
Schuhe vorhanden war, und ersparte sich damit jede Menge Psychostress.
»Hey, ich müsste mal
zu Jochen Löhle. Ist der da?«, fragte Jo betont fröhlich.
»Denke schon. Soll
ich dich anmelden?«, wollte Martha wissen.
»Nö, es dauert nicht lang. Ich weiß, wo sein Büro ist.« Jo war schon im Aufzug, der bedrohlich
knarzte.
»Frau Doktor
Kennerknecht, was führt Sie zu mir, zu so
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